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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Stille in der Wohnung, war sich plötzlich der Tatsache bewußt, daß er allein war. Nüchtern. Er suchte Klamotten
     aus und zog sich an.
    Trotz ihres Zorns hatte Anna sorgsam für ihn gepackt. Sie wäre jetzt in der Küche, trüge immer noch die Klamotten, in denen
     sie gearbeitet hatte, klapperte mit Töpfen und Pfannen, das Radio auf dem Tisch spielte. Carla würde mit ihren |59| Hausarbeiten am Eßtisch sitzen, sie würde sich mit der Spitze des Bleistifts durch die Haare fahren. Fritz würde vor dem Fernseher
     hocken, die Fernbedienung in der Hand, er würde ständig den Sender wechseln, auf der Suche, ungeduldig. Immer unterwegs. Er
     war auch so – es mußte immer etwas passieren.
    Herrgott, was war nur aus seinem Leben geworden?
    In den Wind gepißt. Mit Hilfe von Klipdrift, Coke und Jack Daniels.
    Anonyme Alkoholiker, Schritt zehn: Wir setzen die Inventur bei uns fort, und wenn wir Unrecht haben, geben wir es sofort zu
.
    Er seufzte tief. Er wollte nicht hier sein. Er wollte nach Hause. Er wollte seine Familie zurück, seine Frau und seine Kinder.
     Er wollte sein Leben zurück. Er mußte neu anfangen. Er wollte wieder so sein wie früher – der Polizist aus Parow, der sich
     über das Leben freute. Konnte man von vorne anfangen? Jetzt, mit dreiundvierzig?
    Wo fing man damit an, neu anzufangen?
    Man muß kein Genie sein, um das herauszukriegen
. Er war nicht sicher, ob er das laut gesagt hatte.
    Er mußte eine Zeitung kaufen und nach Wohnungen suchen, denn diese verfluchte Bude hier jagte ihm eine Gänsehaut über den
     Rücken. Aber erst mußte er telefonieren. Er fand Mrs. McAllisters Telefonbuch in der Schublade des Schränkchens, auf dem das
     Telefon stand. Er schlug es vorne auf, ließ den Finger über die Liste gleiten, blätterte um, suchte weiter, bis er die Nummer
     fand.
    Er würde es noch einmal versuchen. Ein allerletztes Mal.
    Er wählte die Nummer. Es klingelte nicht lang.
    »Anonyme Alkoholiker, guten Abend«, sagte eine Frauenstimme.
     
    Nur durch Zufall kaufte Thobela den
Argus
. So hatte er etwas zu tun, während er Fish and Chips aus einem kleinen Karton aß; die Möwen warteten auf dem Geländer wie
     Geier auf Reste. Er breitete die Zeitung vor sich auf dem Tisch aus. Erst las er |60| ohne großes Interesse die Leitartikel – politische Strömungen in der Provinz Western Cape, Korruptionsvorwürfe, die üblichen
     Dementi. Er stippte seine Pommes in die Sauce. Da bemerkte er die kleine Spalte rechts unten.
    POLIZEI »INKOMPETENT«–
    ANKLAGE GEGEN BABY-VERGEWALTIGER
    ABGEWIESEN
    Er las. Als er fertig war, schob er die Essensreste zur Seite. Er schaute über das ruhige Wasser im Hafen. Boote mit sonnenverbrannten
     Touristen fuhren reihenweise hinaus, um vor Llandudno und Clifton Cocktails zu servieren, wenn die Sonne unterging. Aber das
     alles sah er nicht. Er saß da und starrte lange regungslos vor sich hin, seine großen Pranken umrahmten den Artikel. Dann
     las er ihn noch einmal.
     
    Es klopfte an der Tür zum Arbeitszimmer, und der Priester sagte: »Herein.«
    Die Frau, die den Kopf zur Tür hereinsteckte, war Mitte Vierzig, ihr schwarzes Haar war kurz geschnitten, ihre Nase lang und
     elegant. »Tut mir leid zu stören. Ich habe einige Häppchen zubereitet.«
    Die beiden Frauen schätzten sich gegenseitig mit einem einzigen Blick ein. Christine sah falsche Selbstsicherheit, Unterwürfigkeit,
     einen schlanken Körper unter hochmoralischen Klamotten. Eine geschäftige Frau mit geschickten Händen, die nur in der Küche
     arbeitete. Die Sorte Frau, die Sex hatte, um Kinder zu bekommen, nicht zum Vergnügen. Eine Frau, die sich entschieden abwandte,
     wenn Mund und Zunge ihres Mannes tiefer glitten als zu den kleinen, abgenutzten Brüsten. Christine kannte den Typ, wollte
     es aber nicht zeigen und versuchte, harmlos zu wirken.
    Der Priester erhob sich und ging hinüber zu seiner Frau, um ihr das Tablett abzunehmen. »Danke,
Mamma
«, sagte er.
    »Ist mir ein Vergnügen«, sagte sie und lächelte Christine mit zusammengepreßten Lippen an, und ihr Blick verriet für einen |61| winzigen Augenblick: »Ich kenne solche wie dich.« Dann schloß sie leise die Tür.
    Abwesend stellte der Priester das Tablett auf den Tisch – Sandwiches, Hühnerkeulen, Gurken und Servietten.
    »Wie haben Sie einander kennengelernt?« fragte sie. Er hatte wieder auf seinem Stuhl Platz genommen.
    »Rita und ich? An der Universität. Ihr Wagen war stehengeblieben. Sie hatte einen alten Mini Minor.

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