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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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unmittelbare Folge der raschen europäischen Kolonisierung des Kontinents zwei neue Phänomene in Erscheinung zu treten. Und dann kam es, mit diesen beiden koinzidierend und sich zum Teil auch aus jedem von ihnen ergebend, zu einem ungemein wichtigen dritten. Und Erbarmen beziehungsweise der Mangel daran war eine allen dreien gemeinsame Komponente.
    Erstens fing eine neue Generation von Piraten in atlantischen Gewässern zu operieren an, die in zunehmendem Maß von Schiffen befahren wurden, die so reich mit Schätzen aus der Neuen Welt beladen waren, dass sie ganz tief im Wasser lagen. Das Meer entwickelte sich, vor allem in jenem engen Raum zwischen dem Festland und den Westindischen Inseln zu einem Ort der Gewalt, die jederzeit hereinbrechen konnte, so dass man auf nach Osten segelnden Schiffen rund um die Uhr angespannt Ausguck nach Angreifern mit der schwarzen Flagge hielt. Wenn solche am Horizont auftauchten, bedeutete das nicht nur den sicheren finanziellen Ruin, sondern oft genug auch den Tod.
    Zweitens wurden Sklaven über das Meer transportiert und von jenen Siedlern, welche die großen Plantagen im Süden Amerikas betrieben, zur Arbeit eingesetzt. Im 17. Jahrhundert wurde der Atlantik zum Superhighway, über den die sogenannte Middle Passage ablief, die so hieß, weil die Schiffe der Sklavenhändler zunächst von Europa – größtenteils von England – aus Westafrika anliefen und dort mit gefangen genommenen Schwarzen vollgestopft wurden, die man dann unter den grässlichsten Bedingungen zu den Sklavenhäfen Amerikas transportierte, wo die Schiffe gesäubert wurden und dann mit Waren für England beladen die Rückreise antraten. Die ganze Fahrt setzte sich also aus drei Abschnitten zusammen, und der mittlere war der, bei dem sich die Sklaven an Bord befanden.
    Die dritte Entwicklung, in gewisser Hinsicht Resultat der beiden anderen, war rein militärischer Art. Sie wurde partiell dadurch ausgelöst, dass sowohl das Ersticken der Piraterie als auch die Ausrottung der Sklaverei im Lauf der Zeit zu Zielen der Politik der europäischen Staaten wurden, die ursprünglich für das Aufkommen und die Existenz beider Phänomene verantwortlich gewesen waren. Man könnte das als Ironie ansehen – und doch war es nichts anderes als ein Ergebnis der Aufklärung, denn als die Zeit, oder besser, das Denken der Menschen immer aufgeklärter wurde, beurteilte man beide Aktivitäten so wie heute: als nichtswürdig und verbrecherisch. Dieser Gesinnungswandel bewirkte einen Anstieg der Aktivitäten, mit denen diesem verabscheuungswürdigen und kriminellen Treiben ein für alle Mal ein Ende gesetzt werden sollte. Die Kriegsmarinen der Seefahrernationen erhielten den Auftrag, die Piraten zu vernichten und die Sklavenhändler von den Meeren zu verbannen, und wurden zu diesem Zweck immer besser organisiert und ausgerüstet; es wurden auch immer raffiniertere Taktiken ersonnen, damit sie ihre Aufgaben erfüllen konnten.
    Doch diese Seestreitkräfte wurden nicht nur eingesetzt, um für Law and Order auf den Meeren zu sorgen. Zur selben Zeit, als neue Typen von Kriegsschiffen entworfen, gebaut und ständig weiter verbessert wurden und die Admiralitäten der verschiedenen Länder ihre Einsatztechniken verfeinerten, kamen Zwistigkeiten zwischen einigen der seefahrenden Nationen selbst auf. So kam es zum Beispiel zu Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Holland oder England und Frankreich – alle diese Länder verfügten jetzt über starke Kriegsflotten. Infolgedessen wurden Kämpfe einer ganz neuen Art ausgetragen; man benutzte die Kriegsschiffe dazu, den Gegner auf See niederzuringen.
    Natürlich waren schon früher Schlachten mit Schiffen ausgefochten worden, doch die Kampfschiffe, die auf dem Mittelmeer zum Einsatz gekommen waren – in der Frühzeit hatten Ruderer sie angetrieben –, setzten Techniken wie das Rammen oder das Entern des Gegners ein, das heißt, eine Einheit versuchte eine andere gewissermaßen »im Nahkampf« zu versenken oder zu kapern. Im 16. und 17. Jahrhundert, einer Zeit, in der es Piraten in die Flucht zu schlagen und Sklavenhändler von ihrem Gewerbe abzubringen galt, entstand jedoch eine ganz neue Generation von Segelschiffen; diese waren flink und wendig und, besonders wichtig, mit mächtigen eisernen Kanonen bewaffnet. Das ließ eine ganz neue Schule maritimer Kriegführung entstehen, bei der diese Schiffe – oder ganze Flotten von ihnen – einander mit den Bordgeschützen, die neben normalen

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