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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Besatzungsmitglieder, die dazu gezwungen oder überredet werden konnten, sich ihnen anzuschließen. Und dann, nachdem sie unter Umständen zum Abschied noch ihr Mütchen an den Passagieren gekühlt hatten, schwärmten sie alle auf ihre eigene Schaluppe zurück, lösten die Verbindungsleinen und überließen die überlebenden Besatzungsmitglieder und Passagiere ihrem Schicksal; wenn sie Glück hatten, gelang es ihnen, sich mit dem angeschlagenen Schiff irgendwohin zu schleppen, wo sie sicher waren und die nötigsten Reparaturen vornehmen konnten.
    Das goldene Zeitalter für die Piraten des Atlantiks – ein Begriff, der in diesem Kontext sowohl die Bukaniere der Karibik als auch die Privateers einschließt, die vielen staatlich unterstützten Briganten, die für Länder, deren Kriegsmarine für andere Aufgaben dringender benötigt wurde, feindliche Schiffe aufbrachten – dauerte mehr als siebzig Jahre, ungefähr von 1650 bis 1725. Schriftstellern wie Daniel Defoe und Robert Louis Stevenson ist es zu verdanken, dass die Taten der berüchtigtsten von ihnen in das populäre Schrifttum eingingen. Männer wie Edward Teach alias Blackbeard, der seinem Gewerbe in den flachen Gewässern vor North und South Carolina nachging, oder Captain Kidd und Calico Jack von den Westindischen Inseln, oder Bartholomew Roberts, Black Barty genannt, dessen Revier an der westafrikanischen Küste lag, oder auch Edward Morgan, dem seine frühen Untaten als Bukanier offiziell vergeben wurden, der zu einem britischen Privateer , einem Taktiker von legendärem Geschick und Vorausblick aufstieg und schließlich zum Gouverneur von Jamaika ernannt wurde, sie wurden allesamt zu berühmten, vertrauten Gestalten. Die Schriftsteller schlachteten auch die Untaten der Handvoll weiblicher Piraten weidlich aus, von denen Mary Read und Anne Bonny die berüchtigtsten waren. Beide trugen immer nur Männerkleidung und lernten sich zufällig kennen, als sie auf demselben Piratenschiff »dienten« – zu ihrem beiderseitigen Bedauern stellten Read und Bonny fest, dass »der« andere in Wirklichkeit auch eine Frau war, also nicht zu einem sexuellen Abenteuer taugte.

    Bartholomew Roberts, alias Black Barty, war einer der erfolgreichsten Korsaren, die im Atlantik ihr Unwesen trieben. Innerhalb von nur drei Jahren brachte er mit seinen Männern 470 Kauffahrer auf. Im Februar 1722 verließ ihn sein Glück: Er fiel im Gefecht mit einem britischen Kriegsschiff. Seinen Leuten wurde der Prozess gemacht, viele von ihnen wurden zum Tod durch den Strang verurteilt.
    Sowohl Mary Read als auch Anne Bonny entgingen der Hinrichtung, indem sie vorgaben, schwanger zu sein. Männliche Piraten konnten natürlich auf diese Weise keine Schonung erwirken, und als Patrouillenschiffe der Marine immer mehr von ihresgleichen im Atlantik und in den Gewässern um die Westindischen Inseln aufgriffen und die Welt ihrer Taten überdrüssig zu werden begann, wurden viele in die Heimat gebracht, wo man sie auf eine ihnen geziemende Weise vom Leben zum Tod beförderte.
    In London wurde gefangen genommenen Piraten vor Gerichten der Admiralität der Prozess gemacht. Wenn man sie für schuldig befand, was meist der Fall war, wurden sie an einem besonderen bei Wapping in der Themse, das heißt auf einer Schlammbank, aufgestellten Galgen gehängt, und zwar zwischen dem Tiefststand des Wassers bei Ebbe und seinem Höchststand bei Flut. Captain Kidd wurde 1701 an diesem Ort, dem sogenannten »Execution Dock«, aufgeknüpft; in dem Urteil, das man ihm, wie es Sitte war, schriftlich aushändigte, wurde spezifiziert, dass sein Leichnam an dem Hanfseil baumeln bleiben sollte, bis die Flut dreimal über ihn hinweggegangen und er »tot, tot, tot« sei. Danach wurde seine Leiche heruntergeholt, mit Teer überzogen, um Seevögel fernzuhalten, und mit Ketten bei Tilbury an der Themsemündung aufgehängt. Das war als Warnung an andere Seeleute gedacht, als Erinnerung an die schrecklichen Vergeltungsmaßnahmen, mit denen jeder rechnen musste, der vielleicht plante, auf einem Schiff anzuheuern, an dessen Mast der »Jolly Roger« flatterte.
    Es dauerte einige Zeit, bis diese Maßnahmen Wirkung zeigten – schließlich schwamm da draußen auf den diversen Seefahrtsrouten sehr viel Geld herum. Doch gegen Ende des 18. Jahrhunderts begannen die Säuberungsaktionen der Royal Navy und die grimmige Entschlossenheit, mit der die Richter der Admiralität harte Urteile fällten, den Ozean aus dem Griff der Piraten zu

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