Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
befreien. 1725 verebbte die Bedrohung durch sie immer mehr, und wenn man auch die allerletzten von ihnen erst 1830 auf dem Execution Dock hängte, wurde Piraterie gegen Ende des 18. Jahrhunderts immer weniger zu einem realen Phänomen, sondern war etwas, das vor allem in fantasievollen, romantischen Geschichten vorkam, während das wirkliche Leben auf dem Ozean im Zeichen von Disziplin, Ordnung und Gesetzestreue stand.
Die Briten konnten als Erste Erfolge in der Unterdrückung des Piratenunwesens verzeichnen. Doch gab es noch eine viel schrecklichere, viel unmenschlichere Aktivität. Zufällig warf einer der berühmtesten Prozesse gegen einen Piraten, welcher ausnahmsweise nicht vor einem Gericht der Admiralität in London, sondern in einem Winkel Westafrikas abgehalten wurde, Licht darauf. Es handelte sich um auf hoher See verübte Gräueltaten, die man später ebenfalls strengstens verfolgte. Am Ende konnte man dieser Aktivität, gewissermaßen einer Variante der Beförderung von Fracht über das Meer, tatsächlich Einhalt gebieten, doch war sie außerordentlich langlebig, und die Erinnerung an sie beschämt die Welt noch heute: Es geht um das schändliche Gewerbe des transatlantischen Sklavenhandels.
Der Prozess gegen die Männer Black Bartys – unter dieser Bezeichnung wurde er bekannt – fand 1722 statt, und zwar in dem einschüchternden, schneeweißen Gebäude, das heute noch hoch auf einer Klippe ein gutes Stück westlich der ghanaischen Hauptstadt steht, in dem berühmten Cape Coast Castle. Es waren abenteuerlustige Schweden, die an dieser Stelle, in der Nähe eines Küstendorfs namens Oguaa, zunächst eine hölzerne Anlage errichtet hatten, die als Zentrum für den Handel mit Gold, Elfenbein und Bauholz dienen sollte. Danach ging sie in den Besitz eines anderen skandinavischen Landes über, von dem man immer vergisst, dass es auch einmal eine Kolonialmacht war, in den Dänemarks nämlich. 1664 wurde das Fort dann von den Briten erobert, deren Interesse an der Kolonisierung Westafrikas länger andauerte und die sich für die nächsten dreihundert Jahre an der Goldküste – wie Ghana damals genannt wurde – festsetzten. Zu Beginn – das heißt auch zu der Zeit, als der Prozess gegen die Piraten stattfand – war das Fort das regionale Hauptquartier für die Royal African Company of England, der privaten britischen Gesellschaft, die für den »Zeitraum von eintausend Jahren« von der Regierung ihres Landes das Monopol für den Handel mit Sklaven an der gesamten zweitausendfünfhundert Meilen langen atlantischen Küste von der Sahara bis Kapstadt zugestanden bekommen hatte.
Obwohl dieses Monopol schon 1750 erlosch, wurde der Handel mit Sklaven weitere sechzig Jahre betrieben, und die britische Kolonialherrschaft bestand noch zwei Jahrhunderte fort. Die Briten wandelten das Fort in das imposante Gebäude um, das heute noch existiert; es ist so bekannt geworden, und man hat es so gut restauriert, dass es große Scharen von Besuchern anzieht, darunter auch viele Afroamerikaner, die natürlich ein besonderes Interesse an seiner Geschichte haben. 2009 kam Barack Obama mit seiner Familie, um das anzuschauen und auf sich wirken zu lassen, was eines der eindringlichsten und greifbarsten Zeugnisse für das Grauen der Sklaverei ist. Der düstere Ruf der Anlage wird durch deren äußere Erscheinung noch gesteigert. Obwohl Cape Coast Castle das kleinste der drei erhaltenen Sklavenforts an der Bucht von Benin 30 ist, ist es von seinem ganzen Entwurf her das bei Weitem strengste und abweisendste. In ihm befindet sich auch das berüchtigte »Tor ohne Wiederkehr«, durch das Tausende von unglücklichen Afrikanern, Männer, Frauen und Kinder, in Ketten gelegt und mit Fußfesseln an der Flucht gehindert, auf Schiffe getrieben wurden, die sich anschließend auf die Middle Passage über den Atlantik begaben. Diejenigen Gefangenen, die die entsetzlichen Strapazen der Fahrt überlebten, landeten schließlich in den überfüllten Sklavenbaracken des östlichen Amerika und der Karibik.
Das Verfahren, durch das sowohl die Piraterie als auch die Sklaverei in den Blickpunkt der fernen, aber dennoch von den Vorgängen faszinierten britischen Öffentlichkeit gerieten, richtete sich gegen einen der berüchtigtsten und kommerziell erfolgreichsten Briganten, Bartholomew Roberts, einen Waliser. Black Barty, wie er von seinen Kumpanen und der Öffentlichkeit allgemein genannt wurde, war als dritter Maat auf einem Sklavenschiff, der
Weitere Kostenlose Bücher