Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
genau dies täte?
55 Die Abkürzung steht für: SCanning Imaging Absorption spectroMeter for Atmospheric CHartographY.
56 Eine führende Position nahm dabei die Sowjetunion ein. Die Russen ließen ganze Reaktoren in der See verschwinden, versenkten Atom-U-Boote in ihr, schickten in entlegenen Regionen Unmengen von Leichtern mit Atommüll auf den Meeresgrund und schütteten Tausende Tonnen radioaktiven Materials, das aus Kraftwerken stammte, ins Wasser – zumeist in den arktischen Gewässern um Nowaja Semlja herum. Die japanische Regierung war über Meldungen beunruhigt, dass Ähnliches in der Nähe der Insel Sachalin geschah.
57 Der Versuch eines argentinischen Schrotthändlers, eine dieser sich nicht mehr im Betrieb befindlichen Anlagen abzureißen, um die Metallteile zu verwerten, ohne vorher die Pässe seiner Arbeiter den auf den Inseln ansässigen britischen Beamten vorzulegen – mit der Begründung, dass Argentinien die Oberhoheit Großbritanniens über die Territorien anerkenne –, führte zur Besetzung der Falklands und war der unmittelbare Auslöser für den kurzen, aber blutigen Krieg, mit dem Großbritannien diese wieder an sich brachte.
58 Ein besonderer Bodentyp, den man in Schottland und Irland in Küstennähe findet und der aufgrund eines hohen Anteils an Muschelsedimenten äußerst mineralreich und fruchtbar ist. (Anm. d. Ü.)
7
Die Sturmwelle treibt alles vor sich her
Der letzte Akt, mit dem
Die seltsam wechselnde Geschichte schließt,
Ist zweite Kindheit, gänzliches Vergessen,
Ohn’ Augen, ohne Zahn, Geschmack und alles.
1. Das Eis zieht sich zurück
I m Nordatlantik gehen einige merkwürdige Dinge vor sich, und niemand weiß genau, wieso. Der Wandel nimmt ganz unterschiedliche Erscheinungsformen an. Hier ein Beispiel von vielen.
Anfang September 1965 hielt ich mich in Ostgrönland auf, wo ich auf eine Gruppe Inuit wartete, die unseren aus sechs Universitätsangehörigen bestehenden Expeditionstrupp am Ufer eines breiten Fjords namens Scoresbysund aufsammeln und von dort wegbringen sollte. Wir hatten einige Monate lang auf der Eiskappe Forschungen betrieben und waren dann zur Küste hinuntergestiegen, um von dort, wie vorher verabredet, die erste Etappe unserer langen Reise zurück in die Heimat anzutreten. Wir warteten und warteten. Die Tage verstrichen, doch das Boot traf nicht ein. Schließlich erfuhren wir aus unserem Kurzwellenempfänger den Grund dafür: Zwei Wochen lang unerbittlich aus dem Osten tobende Stürme hatten Milliarden Tonnen atlantischen Packeises aus der Dänemarkstraße in den zweihundert Meilen langen Fjord getrieben, so dass er für kein Wasserfahrzeug – mit Ausnahme großer Eisbrecher – mehr befahrbar war. Das geschah damals hin und wieder, aber niemand hatte uns darüber informiert. Das Boot, auf das wir warteten, war kein Eisbrecher, sondern es hatte einen hölzernen Rumpf, und seine Länge betrug nicht mehr als sechs Meter. Es war mit drei Leuten bemannt und hieß Entalik.
Da hockten wir also – wie in einer Falle und möglicherweise in einer echten Notsituation. Wir waren alle in guter körperlicher Verfassung, doch uns war der Proviant nahezu ausgegangen. Wir hatten noch mehrere hundert Pfund einer speziellen, auch bei niedrigen Temperaturen streichfähigen Margarine, zehn Schachteln Weetabix-Frühstückszerealien und – bizarrerweise – eine einsame Packung Lorbeerblätter. Das alles befand sich in einem Vorratslager, das wir dort angelegt hatten, wo wir drei Monate zuvor an Land gegangen waren. Doch wir fühlten uns keineswegs hilflos; wir besaßen ein Funkgerät und ein Gewehr, und eher durch Glück als aufgrund besonderer Geschicklichkeit im Umgang mit Schusswaffen schaffte einer von uns es, eine Weißwangengans und – ich habe heute Hemmungen, es zuzugeben – einen alten Eisbären mit zottigem gelbem Pelz zu erlegen. Wir verzehrten beide; die Gans war so wohlschmeckend, wie Gänse es zu sein pflegen, das Fleisch des Bären jedoch so zäh, wie es dem räudigen Aussehen des Tieres entsprach. Die Schenkel wimmelten überdies von Scharen ekelhafter, mehrere Zentimeter langer Plattwürmer, die man unter dem Namen Planaria kennt; wir mussten sie mit unseren Schweizer Armeemessern herauspulen, bevor wir das Fleisch über unserem Primuskocher garten. Wir verschmähten die Leber des Bären, da Grönländer uns vor deren Verzehr gewarnt hatten: Sie sei aufgrund eines zu hohen Vitamin-A-Gehalts äußerst giftig.
Nach einiger Zeit erhielten wir einen
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