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Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Der Atlantik - Biographie eines Ozeans

Titel: Der Atlantik - Biographie eines Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Mündung des Flusses sich verhalten wird. Man spricht vom Bau einer neuen Barriere und darüber, was geschieht, wenn es nicht dazu kommt. Es werden schaurige Bilder veröffentlicht; von einem unter Wasser stehenden Parlamentsgebäude, Umspannstationen bei Canary Wharf, um die von Kurzschlüssen verursachte Funken stieben, vom Dechanten der St. Paul’s Cathedral, wie er in Gummistiefeln das Kirchenschiff hinunterwatet, und dem London Eye, dem Riesenrad, wie es sich in einer Lagune an seinem Fuß spiegelt. Die Stadt, die man schon immer mit nasskaltem Dunst und Feuchtigkeit assoziiert, sieht sich plötzlich mit der alarmierenden Möglichkeit konfrontiert, sich zu London-on-Sea zu entwickeln, mit allem, was das beinhaltet.
    Auch New York macht sich Gedanken, wie es sich verteidigen kann. Anders als London liegt es auf geologischen Schichten, die fest genug sind und sich um einiges über Meeresniveau erheben. In diesen Untergrund hat man aber Tunnel gegraben, und man hat ihn durchbohrt, bis er einem Ameisennest glich – alle diese Tunnel liegen um einiges unter Meeresniveau. Eine in den New Yorker Hafen dringende Sturmflut würde wahrscheinlich die U-Bahn-Linien überfluten – schon heute fördern große Pumpen jeden Tag über dreiundsechzig Millionen Liter Sickerwasser aus den Tunnels und Gleisröhren. Doch sind ja im Untergrund nicht nur U-Bahnen unterwegs; dort verlaufen auch die Telekommunikationsleitungen und fiberoptische Kabel, die unentbehrlich für das Finanzgewerbe sind. Setzt man sie unter Wasser, brechen alle Börsen zusammen, und die gesamte Finanzwelt stürzt ins Chaos. Es wundert daher nicht, dass die Behörden mit dem Ankauf neuer Pumpen begonnen haben und neue im Boden verborgene Drainagesysteme anlegen lassen, um das Wasser von der riesigen Hightechanlage unter der Erdoberfläche fernzuhalten. Expertenausschüsse schießen wie Pilze aus dem Boden; sie alle sollen New York vor dem Untergang bewahren, wenn eines Tages die Wogen über der Stadt zusammenschlagen.
    Die Ufer der Stadt haben zusammengerechnet eine Länge von fast sechshundert Meilen, und da Klimatologen meinen, dass der Nordosten der USA es mit einem größeren Meeresspiegelanstieg zu tun bekommen wird als andere Landesteile, werden diese Uferregionen plötzlich als äußerst gefährdet angesehen. Also arbeitet man Pläne aus, wie man von Paramus bis nach Elizabeth, von Raritan Bay bis nach Throgs Neck die Anlegemolen und Kais verstärken kann; alte Evakuierungspläne werden aus den Schubladen herausgekramt, und das Vorhaben, zwei gewaltige Sperrwerke zu bauen, wird öffentlich diskutiert. Eines würde ein paar hundert Meter seewärts von der Verrazano Bridge errichtet werden, das andere sich über die Einfahrt zum Arthur Kill zwischen Staten Island und New Jersey ziehen. Die Ingenieure haben schon die Kosten berechnet und auch den Nutzen solcher Bauwerke genau eruiert; die Politiker wollen aber erst noch überzeugt werden.
    Gegenwärtig sind in Seestädten auf der ganzen Welt, vorwiegend in solchen, die am Atlantik liegen, an die vierzig große Bauvorhaben im Gang, die mit dem Klimawandel zu tun haben. Den entscheidenden Anstoß zu allen diesen Projekten gibt die Vermutung, dass der jeweiligen Stadt eine Katastrophe droht, »wenn das Wetter wirklich schlimm wird« – und die Klimaexperten überall auf der Welt verkünden ja lautstark, dass das Wetter schon dabei ist, sich in dramatischer Weise zum Schlechteren zu wandeln.
    4. Und nun die Wettervorhersage
    D och stimmt das? Ändert sich das Wetter am Atlantik wirklich? Gibt es klimatische Phänomene, die die Vermutung nahelegen, der von uns so geschundene Ozean könnte im Begriff sein, sich zu rächen? Wir modernen Menschen mögen uns etwas auf unsere fortschrittliche Denkungsart, auf unser »Aufgeklärtsein« einbilden, doch allein die Tatsache, dass wir diese Frage stellen, dass wir jetzt so bange sind und uns derart in Selbstanklagen ergehen, stellt uns wieder auf eine Stufe mit den Maya oder den Kariben, die sich vor Jahrhunderten ganz ähnliche sorgenvolle Gedanken machten. Erzürnen wir die Götter? Machen wir sie wütend? Das waren Fragen, die sie beschäftigten. Schlägt der Ozean zurück? Das ist die Ungewissheit, die uns heute quält.
    Bestimmte Indizien, bestimmte Einzelvorkommnisse lassen vermuten, dass in meteorologischer Hinsicht etwas Schlimmes im Gang sein könnte. 2009 sichtete man beispielsweise in der Brandung an den Stränden von Rio de Janeiro Magellan-Pinguine, die es

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