Der Atlantik - Biographie eines Ozeans
herrschende kühle und unwirtliche Klima wusste, schon lange vermutet, dass die wenigen Menschen, die damals bereits existierten, sich wahrscheinlich auf den Weg gemacht hatten, um sich an der Südküste niederzulassen; dorthin gelangt nämlich mit den Meeresströmungen wärmeres Wasser aus der Region um Madagaskar, und man konnte dort Nahrung nicht nur auf dem Land, sondern auch an oder in der See finden. Er kam zu dem Schluss, dass diese Menschen vermutlich in Höhlen Schutz gesucht hatten – daher forschte er an der ganzen Küste nach solchen Stätten, nach Höhlen, die damals so dicht über dem Meeresspiegel 6 gelegen hatten, dass man von ihnen aus Zugang zum Wasser hatte, aber auch hoch genug, damit das, was sich in ihnen befand, bei Sturm und Flut nicht davongespült wurde. Schließlich stieß er auf PP13B und ließ sich von einem örtlichen Straußenzüchter eine hölzerne Stiege bauen, damit sich seine Doktoranden nicht zu Tode stürzten, wenn sie versuchten, zum Höhleneingang emporzuklimmen. Dann begann er alles genauestens zu erforschen. In einem acht Jahre später in Nature veröffentlichten Artikel berichtete er mit nüchternen Worten über einige ziemlich bemerkenswerten Funde.
Aschereste auf dem Höhlenboden zeigten an, dass die Bewohner Feuer entzündet hatten, um sich warm zu halten. Außerdem fanden sich vierundsechzig kleine Felssplitter, die zu Klingen geschliffen worden waren, sowie siebenundfünfzig Klumpen rötlicher Ockererde, von denen zwölf Spuren aufwiesen, die nur davon herrühren konnten, dass man Streifen oder andere Ornamente mit ihnen gemalt hatte – entweder auf die Höhlenwände oder auch auf menschliche Gesichter oder Körper. Und dann waren da noch die Schalen von fünfzehn verschiedenen Arten von Mollusken, wie sie vermutlich alle in Gezeitentümpeln vorkamen, von Muscheln der Gattung perna perna , Wellhörnern, Käferschnecken, Napfschnecken, einer Riesenstrandschnecke und einer einzelnen Wal-Entenmuschel, die nach Meinung des Forscherteams mit einem Stück Walhaut an den Strand geschwemmt worden war.
Darüber, wie die Gruppe der Höhlenbewohner auf den Gedanken kam, sich von diesen Schalentieren zu ernähren, kann man nur Mutmaßungen anstellen. Wahrscheinlich beobachteten sie Seevögel, die die diversen Mollusken aufpickten, an Felsplatten aufknackten und dann das darin sitzende Fleisch hinunterschlangen. Unbeeindruckt von der bisher unbestätigten Behauptung, dass es »ein tapferer Mann war, der die erste Auster aß«, 7 schwärmten die Höhlenmenschen aus, suchten den Strand nach Mollusken ab und verleibten sich an Ort und Stelle so viele ein, wie sie zu finden vermochten. Danach wiederholten sie dieses gastronomische Abenteuer jedes Mal, wenn die Flut großzügigerweise für Nachschub gesorgt hatte.
Diese Erfahrung hatte eine einschneidende Auswirkung auf die kleine Kolonie und auf die Menschheit im Allgemeinen – was es umso kurioser erscheinen lässt, dass die Finanziers des örtlichen Golfplatzes auf die Idee kamen, die Anlage als »zweiten Garten Eden« anzupreisen. Die Auswirkung war viel einschneidender, als man vermuten könnte, da es sich doch im Wesentlichen um eine Umstellung der Ernährungsweise handelte: von Ente auf Entenmuscheln, von Nashorn auf Napfschnecken. Doch die unerschöpfliche Fülle an Nahrung, die das Meer spendete, bedeutete, dass diese frühen Menschen jetzt etwas tun konnten, was ihnen zuvor niemals in den Sinn gekommen war: Sie konnten sesshaft werden.
Diese große Höhle in der südafrikanischen Steilküste scheint einer der ersten Orte gewesen zu sein, an denen der prähistorische Mensch sich in der Nähe des Meeres niederließ. Funde belegen, dass diese frühen Küstenbewohner sich schon von Meerestieren wie Austern und Muscheln ernährten.
© Fotografie von Curis Marean, Institute of Human Origins
Sie konnten endlich damit beginnen, die Grundlagen für eine neue – nichtnomadische – Existenzweise zu schaffen, wozu das Betreiben von Landwirtschaft wie auch die Haltung und Zucht von Haustieren gehörten. Und im Lauf einer langen Zeit konnte somit das entstehen, was wir »Zivilisation« nennen.
Überdies legen die gefundenen Ockerklumpen die Vermutung nahe, dass die Kolonisten an diesem Punkt der Küste anfingen, Symbole zu verwenden – vielleicht Zeichen, mit denen sie andere warnten oder willkommen hießen, die Informationen oder Vorschläge vermittelten, die Vergnügen oder Schmerz zum Ausdruck brachten, eine einfache Form der
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