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Der Attentäter - The Assassin

Der Attentäter - The Assassin

Titel: Der Attentäter - The Assassin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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entscheidend der Inhalt dieser Seiten war, alles hing von der Zuverlässigkeit dieser Informationen ab. Wenn die von der CIA in der Botschaft rekrutierte Quelle
verlässlich war, stiegen ihre Chancen beträchtlich, doch Harper hatte recht - normalerweise bedurfte so eine Operation, die, falls sie geschnappt wurden, fatale Konsequenzen haben würde, langwieriger Vorbereitungen. Aber er hatte seine Entscheidung gefällt und nicht vor, jetzt einen Rückzieher zu machen.
    Kurz darauf klopfte der Zimmerservice, und er ging zur Tür, um das Tablett anzunehmen.
    »Also, wo fangen wir an?«, fragte Kharmai, als er wieder am Tisch saß.
    Er drehte den Schnellhefter um und blätterte, um zu sehen, was wichtig war. »Zuerst müssen wir entscheiden, wie ich da reinkomme. Vor allem muss es schnell gehen. Wenn ich das nicht schaffe, können wir die ganze Geschichte vergessen.«
    »Du sagst es. Wann legen wir los?«
    Er warf ihr einen eindringlichen Blick zu. »Um vier Uhr morgens. Damit bleiben uns fünf Stunden. Wir müssen auch noch die Funkgeräte testen.«
    »Stimmt.« Als sich ihre Blicke trafen, lächelte sie. Sie hatte ihren Willen bekommen. »Also, vor uns liegt eine Menge Arbeit. Besser, wir fangen sofort an.«
     
    Das Hotel Victoria, etwas abseits des Quai du Commerce gelegen, im Herzen von Calais, war ein langweiliger, grauer Bau mit vierzehn Zimmern, der sich nur durch das farbenfroh blinkende Neonschild von den anderen Häusern in der Straße unterschied.
    Gerade diese Unauffälligkeit hatte Vanderveen angezogen, als sie spätabends in Calais angekommen waren, knapp vier Stunden nach Tabrizis Tod in Paris. An der Rezeption erwartete sie eine etwa fünfzigjährige Frau mit vor Müdigkeit
geröteten Augen, die sie trotz der späten Stunde freundlich lächelnd begrüßte. Nachdem sie ihre Pässe vorgelegt hatten, suchte sie nach dem Schlüssel, und sie nahmen die Treppe in den ersten Stock.
    Der Zustand des Zimmers war gerade noch hinnehmbar - fadenscheiniger Teppich, von jahrelangem Gebrauch zerkratzte Möbel, eine sich ablösende Tapete, gesprungene und fleckige Kacheln im Bad, wo es penetrant nach einem Desinfektionsmittel roch. Nichts davon störte Vanderveen, der schon unzählige Nächte unter schlechteren Bedingungen verbracht hatte. Nachdem er die Vorhänge zugezogen hatte, ging er schnell unter die Dusche, und als er zwei Minuten später wieder aus dem Bad auftauchte, sah er Raseen in dem dunklen Zimmer voll angekleidet auf dem Bett. Sie lag zusammengerollt da, ihre rechte Seite hob und senkte sich leise mit ihren Atemzügen. Ein Streifen Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Einen Moment lang betrachtete er sie gleichgültig, die Kontur ihres Kinns, die sanft geschwungene Schulter, den schlanken Hals, das dichte dunkle Haar.
    Er musste an die Demonstration ihrer Kaltblütigkeit in der Dordogne und in Paris denken. Sie war Augenzeugin oder direkt Beteiligte bei mehreren Gräueltaten gewesen, und doch schlief sie friedlich. Das sagte mehr über ihr Wesen als alles, das man ihm in Tartus über sie erzählt hatte. In dieser Hinsicht waren sie sich sehr ähnlich. Und mit dieser Erkenntnis kam ein Gefühl zurück, das er jahrelang nicht empfunden hatte, das Gefühl der Zuneigung zu einem anderen Menschen. Es war eine seltsame Erfahrung, und für einen Augenblick war er verwirrt und zugleich etwas verärgert.
    Er zuckte die Achseln und zog die Vorhänge mit einem energischen Ruck ganz zu. Dann ging er zur Tür, schlich leise
aus dem Zimmer und stieg die enge Treppe hinunter. Kurz darauf stand er auf der Straße, wandte sich nach links und ging die Rue de Madrid hinab.
     
    Calais hat ungefähr achtzigtausend Einwohner und ist eine bedeutende Hafenstadt im Norden Frankreichs. Über die aufgewühlten grauen Wasser des Ärmelkanals hinweg kann man an klaren Tagen mit bloßem Auge die weißen Klippen von Dover sehen, davor etliche Fähren und Frachter. Wenngleich nicht ohne Reiz, leidet die Stadt noch heute darunter, dass sie im Zweiten Weltkrieg zu neunzig Prozent zerstört wurde. Daher wirkt sie seltsam geschichtslos, und in den engen Straßen sieht man wenig historisch bedeutsame Bauwerke. Eigentlich ist Calais kaum mehr als eine Anlaufstelle für Touristen, die hier nach Frankreich einreisen, wofür die Vielzahl der Fähren und anderer Verkehrsanbindungen ein Beweis sind.
    Vanderveen wusste, dass das Eurotunnel Terminal gleich südwestlich der Stadt lag, und es gab eine Reihe gut erreichbarer Bushaltestellen. Diese

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