Der Attentäter - The Assassin
Fenster. Genau das hatte sie die ganze Zeit befürchtet. Er musste seinen Vorgesetzten benachrichtigt haben, als er draußen war, und dadurch hatte er ihr Schicksal besiegelt. Es gab absolut keine Möglichkeit mehr, wie sie sich aus dieser Geschichte herauswinden konnte.
Sie zwang sich zur Ruhe und überlegte, ob sie irgendetwas nicht bedacht hatte. Es musste eine Lösung geben. Als ihr
Gehirn gerade fieberhaft mit der Suche nach einem Ausweg beschäftigt war, begann das Funkgerät zu knistern.
»An alle Streifenwagen im zweiten Bezirk. 10-95, deutsche Botschaft, Reservoir Road. Dort sind Schüsse gefallen, wiederhole, dort sind Schüsse gefallen. Einsatz aller verfügbaren Kräfte …«
Kharmai erstarrte, und als das Funkgerät verstummte, wirkte die Stille unheimlich. Sie brachte es nicht fertig, Lowe anzublicken, wusste aber genau, was er dachte. Ihr Wagen stand direkt gegenüber der Botschaft, und sie hatte sich geweigert, ihn durchsuchen zu lassen. Man musste kein Genie sein, um in diesem Fall zwei und zwei zusammenzuzählen.
Lowe griff nach dem Mikrofon. »Hier Streifenwagen 2054, ich bin noch in der Gegend. Was Ihre Durchsage betrifft, ich habe hier eine interessante …«
Er unterbrach sich, als sich um sie herum plötzlich alles änderte. Auf der anderen Seite des schwarzen Eisenzauns flammten Scheinwerfer auf, zugleich begann eine ohrenbetäubend laute Alarmanlage zu schrillen. Und ein paar Augenblicke später kletterte eine dunkle Gestalt über den Zaun und rannte in ihre Richtung.
In dem Augenblick, als Kealey über den Zaun kletterte und auf der Foxhall Road landete, reagierte Lowe blitzschnell. Leise vor sich hin fluchend, tastete er nach seiner Waffe und streckte die Linke aus, um die Tür zu öffnen. Es war eindeutig, dass er eine Verbindung hergestellt hatte zwischen dem Funkspruch und dem, was sich jetzt vor seinen Augen abspielte. Kharmai war klar, dass sie etwas tun musste, um ihn daran zu hindern, auszusteigen und die Waffe auf Kealey zu richten. Ohne weiter nachzudenken, packte sie mit beiden Händen Lowes Rechte,
als dieser die Pistole gerade aus dem Holster gezogen hatte. Erschrocken über die unerwartete Aktion, schrie er sie an, sie solle die Finger wegnehmen. Zugleich riss er heftig den Arm hoch, um sich zu befreien, doch Kharmai umklammerte ihn verzweifelt, selbst dann noch, als ihr Ellbogen bei dem Handgemenge schmerzhaft gegen das Armaturenbrett stieß.
Sie musste den Kürzeren ziehen, das war von Anfang an klar. Lowe war viel stärker, und dazu kam, dass ihr mehrere Hindernisse im Weg waren, unter anderem das Funkgerät und der am Armaturenbrett befestigte Laptop. Trotzdem hielt sie den Arm weiter mit aller Kraft fest. Durch die Windschutzscheibe sah sie Kealey auf den Streifenwagen zukommen, aber etwas an seinen Bewegungen wirkte merkwürdig …
Ohne Vorwarnung wurde sie durch einen plötzlichen Lichtblitz geblendet. Einen Augenblick völlig benommen durch das Mündungsfeuer und den ohrenbetäubenden Lärm, ließ sie Lowe los und riss instinktiv die Hände hoch. Für einen kurzen, entsetzlichen Moment glaubte sie, von der Kugel ins Gesicht getroffen worden zu sein, doch der Schmerz blieb aus. Einen Sekundenbruchteil später wurde die Tür auf der Fahrerseite aufgerissen. Lowe wirbelte herum, um der neuen Gefahr zu begegnen, doch da packte Kealey bereits seinen Haarschopf und zerrte ihn aus dem Auto. Der Cop schrie und feuerte blindlings. Eine Kugel pfiff knapp an Kharmais rechter Seite vorbei und schlug in die Beifahrertür, eine andere verfehlte knapp ihr Ohr und bohrte ein Loch in die Decke. Die nächsten vier zerstörten das Armaturenbrett, die fünfte die Windschutzscheibe.
Als die Schüsse verhallt waren und stattdessen näher kommende Sirenen ertönten, glaubte Kharmai zweimal das Geräusch eines brutalen Schlages zu hören, doch da sie völlig desorientiert war, konnte sie nicht sicher sein. Ihre Ohren
klingelten, ihr Kopf war von einem dumpfen Pochen erfüllt, und sie presste sich an die Tür, als wollte sie sich am liebsten unsichtbar machen. Was draußen passierte, konnte sie nicht sehen, und sie fragte sich nach dem Grund. Erst da wurde ihr klar, dass sie die Augen fest zugekniffen hatte. Als sie den Mut fand, sie zu öffnen, öffnete sich die Tür, und eine vertraute Hand griff nach ihrer.
Kaum hatte er sie aus dem Streifenwagen gezogen, da erkannte sie schon, dass er verletzt war, und als sie ihn ins Licht zog, sah sie sein bleiches, von kaltem Schweiß
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