Der Attentäter - The Assassin
entwendeten Crown Vic, ungefähr fünfzehn Meter entfernt, parkte ein roter Mercury Sable, und ein Mann, der ihm vage bekannt vorkam, stand neben der offenen Tür, den linken Arm gegen Naomi Kharmais Hals pressend. Vanderveen hatte sein Äußeres verändert, doch er ließ sich keinen Augenblick täuschen. Sein Blick suchte nach Vanderveens rechter Hand, sah sie aber nicht.
»Lass sie los!«, schrie er, sofort die Beretta hebend. Aber Vanderveen stand direkt hinter ihr und bot wenig Angriffsfläche. Trotz seiner Erregung wurde ihm bewusst, dass noch eine Kugel in der Kammer steckte und - wenn er Glück hatte - eine im Magazin.
Zwei Kugeln. Vielleicht.
»Lass sie hochgehen!«, brüllte Vanderveen, der unter Kealeys entsetzten Blicken die rechte Hand hob, die ein Messer hielt. Sofort flackerten die schrecklichen Bilder von Katie Donovans Tod vor seinem geistigen Auge auf. »In der Fahrerkabine ist ein M-60. Lass die Bombe explodieren, dann geht’s für alle kurz und schmerzlos. Andernfalls siehst du sie sterben. Du kennst das ja schon.«
Vanderveen hob das Messer und berührte mit der Klinge Naomis rechte Wange. Ihre Angst war offensichtlich, doch Kealey vermied, in ihr Gesicht zu sehen, weil er wusste, dass es ihn nur ablenken würde. Er wartete nur darauf, auf Vanderveen feuern zu können, doch der versteckte sich weiter hinter dem Körper seiner Geisel. Wenn er abdrückte, würde er höchstwahrscheinlich Naomi treffen. Er trat vor, unter seinen Schuhsohlen knirschten Scherben. Seinen schmerzenden Fußknöchel hatte er völlig vergessen.
»Keinen Schritt weiter!«, brüllte Vanderveen, seine Forderung mit einer Bewegung des Messers unterstreichend. Naomi schrie auf, und auf ihrer Wange war ein kleiner roter Fleck zu sehen. Kealey blieb stehen, sein Herzschlag setzte einen Moment aus.
»Schon gut! Mein Gott, lass sie los, du Arschloch. Lass sie endlich los! «
»Panik, Kealey? Das ist kein gutes Zeichen. Ich mache dir einen Vorschlag. Vergiss die Bombe. Bring dich einfach um. Wenn du dir das Leben nimmst, rettest du ihres. Halt dir die Knarre an den Kopf und drück ab, du Arschloch. Na los! Tu es, oder sie muss dran glauben! «
»Du wirst sie sowieso töten.« Kealey war verzweifelt, sah keine Möglichkeit, das Unvermeidliche aufzuhalten. Er konnte
nicht fassen, dass er zum zweiten Mal in dieser Situation war. Er hatte eine Waffe und musste abdrücken, aber Vanderveen gab ihm keine Gelegenheit. Vielleicht konnte er auf seinen linken, um ihren Hals geschlungenen Arm zielen, aber wenn er nicht ganz großes Glück hatte, würde die Kugel durch den Arm schlagen und in ihren Körper eindringen. Das Risiko konnte er nicht eingehen.
Wo blieben die Cops? Warum rückten sie nicht an? Es schien, als hätte jemand in einer günstigeren Position als er durchaus eine Chance gehabt, erfolgreich einzugreifen. Und tatsächlich, jetzt sah er, wie sich von hinten möglichst unauffällig Polizisten näherten. Er versuchte, nicht hinzublicken, doch Vanderveen schien etwas zu ahnen.
»Zurück! Wenn Sie nicht sofort verschwinden, schneide ich ihr die Kehle durch! Wollen Sie ihren Tod auf dem Gewissen haben?«
Sofort traten die Männer mit erhobenen Händen den Rückzug an. Kealey hatte auf seine Chance gewartet, fest davon ausgehend, dass Vanderveen sich zu ihnen umdrehen würde. Aber er hatte sich getäuscht. Obwohl er an einer belebten Kreuzung in der Falle saß, Polizei im Anmarsch war und Kealey auf die kleinste Chance wartete, schien Vanderveen alles unter Kontrolle zu haben. Es sah nicht so aus, als schüchterte ihn die Hoffnungslosigkeit seiner Lage ein. In ein paar Minuten war er entweder tot, oder er wurde in Handschellen abgeführt. Tatsächlich schien aber nur eine dieser beiden Varianten realistisch. Kealeys Finger legte sich fester um den Abzug, und er wartete darauf, dass Vanderveen den verhängnisvollen Fehler machte.
Vanderveen hielt sich weiter direkt hinter Kharmai, wohl wissend, dass Kealey nicht viel Angriffsfläche benötigte. Für einen
kurzen Augenblick bewunderte er sich selbst, etwas erstaunt über die fatalistische Entscheidung, die er im Auto getroffen hatte. Er hatte sich in diese Situation gestürzt, im vollen Wissen darum, dass es praktisch keine Fluchtchance gab. Trotzdem bereute er nichts. Es schien nur logisch, dass es auf diese Situation hinauslief - er gegen Kealey, von Angesicht zu Angesicht, mitten in Manhattan. Noch immer steckte die Pistole in seiner Tasche. Er hätte sie von Anfang
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