Der Attentäter - The Assassin
an benutzen sollen, aber die Verlockung des Messers hatte sich als unwiderstehlich erwiesen. Wie hätte er Kealey besser an die Nacht von Maine erinnern können? Gab es eine gelungenere Variante, ihn auf einen noch entsetzlicheren Tod vorzubereiten als den, dem er damals beiwohnen musste?
Noch nie hatte er sich so lebendig, so allmächtig gefühlt wie bei diesem unglaublichen Showdown, doch zugleich war er von blinder Wut erfüllt. Einmal mehr hatte Kealey ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Tat vereitelt, die ihm als Krönung seiner Aktivitäten erschienen war. Sein Hass war so stark, als hätte er ihn schon mit der Muttermilch aufgesogen, und nur deshalb war er zum Renaissance Hotel gefahren, statt einfach die Frau umzubringen und die Stadt zu verlassen. Es reichte nicht, sie zu töten. Kealey musste dabei zusehen .
Er presste das Gesicht an Kharmais Hals und sog ihren Geruch ein, in dem sich Parfüm, Schweiß und Angst mischten. Eine ungewöhnliche Kombination, aber nicht unangenehm. Zumindest für ihn nicht. Er benutzte ihr Haar, um sein Gesicht so gut wie möglich zu verbergen, und brachte seine Lippen dicht vor ihr Ohr. »Bist du bereit zu sterben, Naomi?«
Sie antwortete nicht, stöhnte nicht einmal leise. In diesem denkwürdigen Augenblick war er unglaublich stolz auf sie. Er zog sie noch dichter an sich heran, berührte mit den Lippen ihr
Ohrläppchen, spürte ihren Herzschlag, das Zittern ihres Körpers, hörte ihren abgehackten Atem. Trotz ihrer Angst schrie sie nicht, winselte nicht einmal …
Was für eine unglaubliche Frau. Hätte er einen anderen Weg eingeschlagen, ein anderes Leben geführt, hätte er sich durchaus für so eine Frau entscheiden können, um alles mit ihr zu teilen. Für einen kurzen Augenblick empfand er das Gefühl, als würde er mit ihr verschmelzen, als wären ihre Körper eins.
Aber sie gehörte Kealey, und das konnte er ihr nicht verzeihen.
Er legte die Spitze der Klinge hinter ihren Unterkiefer, direkt unter dem Ohr, und stieß ihr das Messer in den Hals.
Kealey hörte sich fassungslos stammeln, als er es sah. Dann schrie er, doch seine Schreie wurden von denen der Passanten verschluckt. Schließlich drückte er ab, jetzt war es egal. Alles hatte sich geändert, als Vanderveen ihr das Messer in den Hals gestoßen hatte. Er wusste instinktiv, dass der andere keine Ruhe geben würde, bis Naomi tot war. Seine erste Kugel ging völlig daneben, mit der zweiten hatte er Glück, weil Naomi ihren Körper nach links riss, um dem Messer zu entkommen. Kurz darauf vollzog Vanderveen ihre Bewegung nach, doch da hatte er schon auf seinen Arm gefeuert. Die Kugel traf über dem Ellbogen und bohrte sich durch den Bizeps, bevor sie an der Schulter austrat und in den Hals schlug.
Vanderveen wurde zurückgerissen, schaffte es aber irgendwie, Naomis Körper vor seinen eigenen zu bugsieren. Die Klinge bohrte sich tiefer in ihr Fleisch, und sie blutete stark … unglaublich stark. Kealey drückte weiter ab, gleichzeitig fluchend und schreiend, doch nichts geschah. Er ließ das Magazin ausrasten und rammte ein neues in die Waffe. Diese
Bewegungen waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen, und er vollführte sie auch in dieser Situation mit mechanischer Präzision. Obwohl alles sehr schnell ging, verlor er wertvolle Sekunden, die Vanderveen nutzte. Er hob die Waffe, aber der günstige Augenblick war verstrichen. Er war ein paar Schritte nach vorn gestürmt und jetzt nur noch knapp zehn Meter von den beiden entfernt, weiter auf seine Chance lauernd.
Naomi schrie vor Schmerz auf, als die Klinge ihren Kieferknochen streifte und sich dann nach oben in ihre rechte Wange bohrte. Auf einer rationalen Ebene wusste sie, was mit ihr geschah, aber ihr Gehirn wollte es irgendwie nicht akzeptieren. Jetzt gab es nur noch diesen gnadenlosen, unfassbaren Schmerz , der alles andere aus ihrer Wahrnehmung verdrängte. Hätte sie noch etwas gehört, wären die entsetzten Schreie der Passanten an ihr Ohr gedrungen, vor allem aber die Ryans, der weiter feuerte. Dazu kamen die Sirenen der schnell näher kommenden Streifenwagen, doch da sie nichts hörte, konnte sie nur fühlen. Das warme Blut auf ihrem Hals, die Spitze der Klinge, die sich unter ihrem Wangenknochen verhakt hatte, Vanderveens Bemühungen, sie wieder frei zu bekommen. Dann spürte sie seinen Körper hinter sich zucken, als Ryans zweite Kugel traf, aber er versuchte weiter, die Klinge bis in ihr Auge zu stoßen. Daher wusste
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