Der Attentäter - The Assassin
peinlichen Untersuchung zu unterziehen oder ihren Posten zur Verfügung zu stellen. Letztlich war ihr die Entscheidung nicht schwergefallen.
Eine knappe Woche nach der Annahme ihres Rücktritts durch den Präsidenten hatte dieser Jonathan Harper für den vakanten Posten vorgeschlagen. Der Senat musste die Nominierung noch bestätigen, doch es war bereits durchgesickert, dass die Besetzung der Stelle mit Harper eine abgemachte Sache war. Seine souveräne Handhabung des Falls Vanderveen
garantierte, dass es keine Probleme geben würde. Ohne Harper, Kealey und Naomi Kharmai hätte Vanderveen eine gute Chance gehabt, den Anschlag erfolgreich durchzuführen, was katastrophale Konsequenzen gehabt hätte. Harpers Beförderung, die mit dem Versprechen einer späteren Nominierung für den Topjob bei der CIA einherging, war für den Präsidenten die beste Möglichkeit, eine gründliche Untersuchung seines eigenen unglücklichen Verhaltens während der Krise zu vermeiden.
Ironischerweise hatte David Brenneman, obwohl er seit dem Einbruch in die Botschaft nur im Weg gestanden hatte, am meisten von der Krise profitiert. Der Anschlag war vereitelt worden, was seiner zuvor niedrigen Popularität automatisch zugutekam, und als sich dann herausstellte, dass er in erster Linie den fünfunddreißig im Renaissance Hotel wohnenden Mitgliedern der Vereinigten Irakischen Allianz gelten sollte, wurde auch ihm ein - zumindest indirekter - Verdienst daran zugeschrieben, dass durch die Verhinderung der Tat ein katastrophaler Rückschlag im Irak vermieden worden war. Seine politischen Berater setzten seine positive Rolle publicitywirksam in Szene, immer wieder darauf hinweisend, dass durch die Verhinderung eines Bürgerkriegs im Irak auch weitere massive Verluste unter den amerikanischen Soldaten vermieden worden seien.
Das ganze politische Taktieren ging Kealey auf die Nerven, denn ohne die Zustimmung des Präsidenten wären die amerikanischen Soldaten gar nicht dort. Nun wurde Brenneman plötzlich als ihr Schutzengel dargestellt, dem zuvörderst das Wohl der Truppen am Herzen lag. Aber Kealey machte sich keine Illusionen; es war sinnlos, seine Meinung öffentlich zu artikulieren. Also hielt er den Mund. Außerdem bezweifelte
er, dass den Präsidenten interessierte, was er dachte, denn Brenneman war am Vortag mit erstaunlichen achtundfünfzig Prozent der Stimmen wiedergewählt worden - eine vernichtende Niederlage für den demokratischen Herausforderer Richard Fiske.
Unterdessen hatten sich die Aktivitäten der Aufständischen im Irak wieder auf einem normalen Niveau eingependelt, was sich teilweise öffentlichen Friedensappellen seitens schiitischer und sunnitischer Geistlicher verdankte, unter ihnen auch Ayatollah Ali al-Sistani, der mit Abstand einflussreichste religiöse Führer in der Region. Die amerikanischen Kommandeure hatten ihren Teil dazu beigetragen, den Status quo wiederherzustellen, und auf mehr konnte man eigentlich nicht hoffen.
Schließlich brachte Harper Kealey hinsichtlich der jüngsten Entwicklungen auf den neuesten Stand. Zunächst erwähnte er die Fahndung nach Vanderveens Komplizin, jener Frau, die zufällig in London von einem Mitarbeiter des MI5 fotografiert worden und jetzt spurlos verschwunden war. Noch immer hatte die CIA keinen blassen Schimmer, wo sie sich aufhalten könnte, und obwohl die Fotos und die Bilder der Überwachungskamera aus dem Savoy an Geheimdienste befreundeter Länder weitergeleitet worden waren, hegte niemand große Hoffnungen, sie festnehmen zu können. Kealey sagte nichts, war aber persönlich auch der Meinung, dass man die Frau wahrscheinlich nie finden würde. Die CIA hatte einfach nicht genügend Hintergrundinformationen, um eine Erfolg versprechende Aktion in die Wege zu leiten. Ein paar unscharfe Fotos reichten dafür nicht. Es sah so aus, als würde sie ungeschoren davonkommen. Das war unangenehm, aber Kealey war klar, dass die Frau ihre Spuren einfach zu gut verwischt hatte.
Anschließend erzählte Harper von der Operation Clean
Sweep, an der tausendvierhundert amerikanische Soldaten beteiligt waren, unter anderem von der 10th Mountain, vom 75th Ranger Regiment und der 82nd Airborne. Bei der Operation ging es in erster Linie darum, jenseits der irakisch-syrischen Grenze Waffenlager auszuheben, was ein Erfolg auf der ganzen Linie gewesen war. Mehr als dreißig Tonnen Handfeuerwaffen waren beschlagnahmt, in den Irak zurückgebracht und dort gelagert oder vernichtet worden. Die
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