Der Attentäter - The Assassin
als wäre nichts geschehen. Merkwürdigerweise kam es ihm genauso vor; es war fast, als hätte sein Verstand die Ereignisse des Tages schon zu den Akten gelegt.
Sie gingen mit ihren Drinks zu einem Ecktisch und nahmen einander gegenüber Platz, ohne dass einer etwas sagte. Kharmai war vollauf damit beschäftigt, einen losen Faden aus dem Ärmel ihres Pullovers zu ziehen.
»Wie ich gehört habe, beschäftigst du dich mit al-Umaris Bankkonten?«, fragte er schließlich.
Kharmai war ein bisschen enttäuscht. Fast ein Jahr lang hatten sie sich nicht gesehen, und er hatte nichts Besseres zu tun, als sofort wieder von der Arbeit zu reden.
Sie seufzte. »Stimmt, aber ich komme nur mühsam voran. Die meisten Banken befürchten, Geschäftspartner zu verlieren, wenn sie mit uns kooperieren. Also habe ich zuerst bei der FATF angerufen. Sie wissen, wie man solche Dinge anpackt, aber es braucht trotzdem Zeit.«
Kealey nickte und trank einen Schluck. Die Financial Action Task Force wurde geschätzt wegen der einzigartigen Fähigkeit ihrer Mitarbeiter, Informationen von Banken und Regierungsbehörden zu besorgen. Obwohl die in Paris ansässige FATF nicht einmal ein Dutzend Leute beschäftigte, verfügte sie über verlässliche Verbindungen zu achtundzwanzig Ländern, darunter auch die Vereinigten Staaten.
»Trotzdem haben wir bereits etwas Interessantes herausgefunden«, fuhr sie fort. »Raschid al-Umari hat kürzlich die Muthanna-Abteilung seiner Southern Iraqi Oil Company verkauft. Dazu gehört auch eine kleine Raffinerie östlich von Samawah.«
»An wen?«
»Das ist eine interessante Frage.« Kharmai beugte sich vor, und ihre grünen Augen funkelten. »Was weißt du über Grundstücksverkäufe im Irak?«
Sein leerer Blick sagte alles.
»Um es auf den Punkt zu bringen … Es ist extrem schwierig, im Irak ein Grundstück zu kaufen.« Sie trank einen Schluck Wein. »Alles wird von der Aufsichtsbehörde für Grundstücksverkäufe kontrolliert, die zum Justizministerium gehört. Wenn Verkäufer und Käufer sich geeinigt haben, müssen beide Parteien in der örtlichen Niederlassung der Aufsichtsbehörde erscheinen, wo ihre Identität überprüft wird. Gegenwärtig können nur im Irak geborene Staatsbürger Land erwerben.«
»Um krumme Dinger zu verhindern, stimmt’s? Ich habe gehört,
einige Leute hätten sich während des Krieges ihre eigenen Eigentumsurkunden ausgestellt.«
»Stimmt genau.« Sie wirkte beeindruckt, doch Kealey fühlte sich eher etwas beleidigt. Möglich, dass er über viele Einzelheiten nicht informiert war, aber er wusste immerhin ein bisschen über das Land, in dem er ein halbes Jahr gelebt hatte.
»Es stellte sich heraus«, fuhr sie fort, »dass die Raffinerie in Muthanna gemeinsam von fünfundzwanzig irakischen Sunniten gekauft wurde, die alle in Moscheen aktiv sind, die uns aus dem einen oder anderen Grund aufgefallen sind. Meistens deshalb, weil der Verdacht bestand, dass dort Selbstmordattentäter rekrutiert wurden. Sechs von diesen Leuten haben Beziehungen zu bekannten terroristischen Organisationen, darunter Ansar al-Islam. Aber jetzt kommt’s - mindestens drei dieser Männer können direkt mit Mahmud Ahmadinedschad in Verbindung gebracht werden.«
Die Erwähnung des iranischen Präsidenten verdutzte Kealey. »Wie konnte der Kauf dann genehmigt werden? Ich meine, wenn sie bei der Aufsichtsbehörde vorstellig werden mussten …«
»Unserer Meinung nach haben sie das nicht getan«, antwortete Kharmai. »Es sieht so aus, als wäre Geld geflossen, um den Vorgang zu beschleunigen . Wenn man der Aufsichtsbehörde seinen Besuch abgestattet hat, war das erst der Anfang. Wird ein Verkauf dort genehmigt, wird die ganze Sache an das Amt für Verwaltungsangelegenheiten weitergeleitet, wo die Identität aller Beteiligten noch einmal überprüft wird. Danach kommt die nächste übergeordnete Behörde ins Spiel, wo die Art und der Wert des verkauften Objektes bestätigt werden. Schließlich muss der Verkauf noch von der Steuerbehörde gebilligt werden, bevor der Eintrag im Grundbuch erfolgt. Das Ganze ist äußerst
kompliziert, und du hast schon recht - der Verkauf wäre nie genehmigt worden, wenn alles seinen rechtmäßigen Gang genommen hätte. Die Bestechung gewisser hoher Beamter würde auch erklären, warum wir nicht eher darauf gekommen sind … Wenn der ganze Papierkram erst mal ad acta gelegt wird, ist er praktisch unzugänglich.«
»Aber wir wissen, dass der Verkauf nach geltendem irakischem
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