Der Attentaeter von Brooklyn
in einer dünnen Akte und trank Tee aus einer weißen Porzellantasse. Ein junger Assistent mit schütteren schwarzen Haaren begrüßte Chamis Sejdan mit ein paar gemurmelten Floskeln und gab Omar Jussuf einen feuchten Händedruck.
Im Aufstehen knöpfte sich der Präsident seinen braunen Anzug zu, schüttelte ihnen die Hände und hieß beide Männer leise willkommen. »Seien Sie gegrüßt«, murmelte er Omar Jussuf zu und führte ihn zu der dunkelroten Couch.
Omar Jussuf hatte befürchtet, in die forsche, unnachsichtige Geschäftsmäßigkeit gezogen zu werden, die Chefs üblicherweise pflegen. Doch mit seiner goldgerahmten Brille und dem schlichten Anzug wirkte der Präsident eher wie ein Bankmanager als wie ein Politiker. Er knöpfte den Anzug wieder auf und setzte sich in seinen Sessel. Die Anzugjacke schob sich an seinen Schultern hoch, als er das Kinn auf die Finger stützte. Seine Augenbrauen waren schwarz, sein gestutzter Schnurrbart war grau. Seine Wangen zeigten den blassen Olivton, der auf eine schwache Gesundheit hindeutet, und die Haut an seinem Hals hing schlaff über den weißen Hemdkragen.
»Seien Sie gegrüßt«, wiederholte er.
»Seien Sie zweifach gegrüßt«, erwiderte Omar Jussuf flüsternd.
Chamis Sejdan steckte sich eine Rothmans an. »Abu Raji, verzeihen Sie, wenn ich direkt zur Sache komme –«
»Zu welcher Sache? Ich kann mich nicht entsinnen, dass Sie je um den heißen Brei herumgeredet hätten.« Der Präsident lachte, und sein Assistent schlug mit der Hand auf die Akte, die auf seinen Knien lag.
»Wir glauben, dass Ihr Leben ernsthaft in Gefahr ist«, sagte Chamis Sejdan.
Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des Präsidenten. Er fuhr sich mit den Fingern über den Mund und spielte an seinem Schnurrbart herum.
»Wir haben hier in New York eine Zelle des Islamischen Dschihad zerschlagen. Ihr Attentäter läuft aber immer noch frei herum.«
»Ich bin sicher, dass er versuchen wird, während Ihrer Rede vor der UN zuzuschlagen«, sagte Omar Jussuf. »Die Zelle benutzt in ihrer Kommunikation Motive der mittelalterlichen Assassinen. Die Assassinen führten ihre Aktionen in aller Öffentlichkeit aus. Sie attackierten bei Prozessionen oder Gebeten in einer Moschee Sultane und Kalifen. Ich glaube, diese modernen Assassinen werden das Gleiche tun, und die UN ist die öffentliche Bühne der Welt schlechthin.«
»Ich bin ein Führer. Es wird immer jemanden geben, der mein Blut vergießen will«, sagte der Präsident.
»Weil das Blut anderer Menschen an Ihren Händen klebt.« Omar Jussuf streckte die Hand aus. »Selbst wenn es nur von den Händen stammt, die Sie zu schütteln bereit waren.«
Der Präsident räusperte sich. »Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden, Bruder –«
»Abu Ramis. Er gehört zur UN-Delegation.« Chamis Sejdan legte Omar Jussuf seine gesunde Hand aufs Knie. Der kräftige Druck seiner Finger war ein Befehl, sich zurückzuhalten. »Ich habe Ihnen von seinem Sohn erzählt, der von der amerikanischen Polizei festgehalten wird.«
»Seien Sie gegrüßt, Abu Ramis«, sagte der Präsident. »Und denken Sie daran, dass auch Sie mir die Hand geschüttelt haben.«
»Seit meiner Ankunft in New York wate ich in Blut.«
Chamis Sejdan verzog das Gesicht, sah seinen Freund an und beugte sich über den gläsernen Kaffeetisch. »Abu Raji, ich habe ein Mitglied der Dschihad-Zelle verhört. Ich glaube ebenfalls, dass man Sie bei der UN erwischen will. Uns bleibt vor Ihrer Rede nur noch ein Tag, um den Attentäter aufzuspüren. Die Zeit ist zu knapp. Sie müssen Ihre Rede absagen.«
Der Präsident zuckte mit den in seinen Anzug geklemmten Schultern. »Wie stünde ich denn da, wenn ich einfach nach Hause führe? Was würden die Leute sagen?« Er schüttelte langsam den Kopf. Die schlaffe Haut an seinem Hals schob sich über den Krawattenknoten.
»Was würden sie erst sagen, wenn Sie gar nicht mehr zurückkämen?«, sagte Omar Jussuf. »Um auf den Punkt zu kommen: Wen würde man dann erschießen? Wen würde man verhaften oder lynchen? Welche Gebäude würden niedergebrannt?«
»Ich muss das Risiko eingehen.«
»Aber am Ende tragen andere das Risiko. Ihres Stolzes wegen wird unsere Gesellschaft zerstört werden.«
Der Präsident befingerte das Knopfloch in seinem Jackettkragen. »Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir über mein Leben reden.«
»Viele Leben stehen auf dem Spiel. Wenn Sie getötet würden, gäbe es einen Bürgerkrieg. Das will der Islamische Dschihad doch
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