Der Attentaeter von Brooklyn
vorbei und der Präsident in Sicherheit ist, wirst du frei sein«, sagte Omar Jussuf.
Nisars Augenbrauen zuckten. Er sprach, als hörte er seinen eigenen, ihm per Band vorgespielten Worten zu. »Und was mache ich dann?«
»Nach Palästina zurückkehren. Das hat Ala auch vor.«
»Ala geht zurück nach Hause?«
»Wenn ich meine Rede auf der Konferenz gehalten habe, fliegt er mit mir zurück. Du kannst dich anschließen.«
Nisar fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Rania kann da nicht hin.«
Sie ist Libanesin, dachte Omar Jussuf. Die Israelis würden niemandem aus einem verfeindeten Staat gestatten, in Bethlehem zu leben .
Er griff nach Nisars Hand. »Mein Junge, sag mir noch etwas. Was ist aus Ismail geworden?«
Wie ein verdurstender Mann, der im Trinkwasser eine Fliege entdeckt, zeigte Nisar einen Anflug von Ekel. »Er hat Palästina verlassen, nachdem wir aus dem israelischen Gefängnis entlassen worden sind.«
Omar Jussuf kratzte sich am Hals und verspürte den Wunsch, Zeit zum Rasieren zu finden. »Ich bin mir sicher, dass ich ihn neulich mit der libanesischen Delegation auf der UN-Konferenz gesehen habe.«
Nisar straffte sich. Sein Gesicht war streng und nervös.
Ein Assassine zu sein, ist längst kein Spiel mehr, kein Klassenzimmerspaß, dachte Omar Jussuf. Nisar ist zum Mörder geworden.
Wozu würde Ismail fähig sein?
Kapitel
27
Der Leibwächter tastete Omar Jussufs Körper und die knochigen Beine mit den Händen ab. Dabei sah er den Lehrer streng an. In seinen Augen lag die Wärme von Lehmziegeln. Mit einer Drehung des Halses signalisierte er, dass Omar Jussuf die Präsidentensuite betreten dürfe. Drinnen hockte die palästinensische Delegation an einem langen Konferenztisch oder lümmelte sich in den Armsesseln am Fenster und sah die kirschroten Rückleuchten der Autos auf der 59th Street Bridge im Schnee verschwinden. Erstickender Zigarettenrauch füllte den Raum.
Der ehemalige Schuldezernent Haitham Abdel Hadi erhob sich vom Sofa und füllte seine Kaffeetasse aus einer silbernen Thermoskanne auf dem Sideboard. Er trug einen billigen Anzug, der so grellrot wie ein Pavianarsch war. Omar Jussuf warf er ein bösartiges, giftiges Lächeln zu.
»Sie sehen müde aus, Abu Ramis«, sagte er. »Haben Sie einen Stadtbummel gemacht?« Er ließ die Tasse auf der Untertasse klappern, legte die Hand vor die Augen und ahmte einen Verkaterten nach. Die Männer in den Armsesseln – der Justizminister und der Chefunterhändler – lachten. Abdel Hadi wandte sich ihnen zu. »Unser Freund Abu Ramis ist ein alter Schluckspecht. Er behauptet aber, inzwischen trocken zu sein.«
»Das stimmt«, sagte Omar Jussuf. »Egal, wie sinnlos einem manches vorkommen mag, glaube ich stets an die Möglichkeit von Reformen – für Individuen ebenso wie für korrupte Regierungen.«
Die Minister zogen sich ihre Krawatten über die fetten Bäuche und blickten nervös zum mürrischen Chef der Geheimpolizei, der am Konferenztisch eine Zigarette rauchte. Oberst Jasid Chatibs Schädel war kahl und knochig, und im Augenblick war er leicht nach vorn geneigt, als wolle er jeden Moment damit zustoßen. Unter überraschend hübschen, langen Wimpern wirkten seine Augen ruhig und bedrohlich. Sie zeigten die wachsame, gezähmte Böswilligkeit eines kanaanitischen Wachhunds, der einen Olivenhain umschleicht.
Chatib ist wohl in den USA, um seine CIA-Kontaktleute zu treffen, dachte Omar Jussuf. Diejenigen, die seine Schlägertruppe zu Folter und Attentaten ausgebildet hat – die SWAT-Einheiten, die die Verhaftungen vorgenommen haben, auf die hin der Islamische Dschihad den Versuch gemacht hat, den Präsidenten umzubringen . Plötzlich wurde ihm klar, dass die Rede des Präsidenten nur heiße Luft sein würde. Der eigentliche Zweck des Besuchs würde von Chatib geregelt werden. Und er würde schmutzig sein und nichts Gutes für das palästinensische Volk bedeuten.
Chamis Sejdan packte Omar Jussuf am Ellbogen, zog ihn von den anderen Männern weg und flüsterte: »Bleib ruhig und erweise ihnen Respekt. Stell dir einfach vor, du wärst dein eigener Schüler in deiner Klasse. Was auch immer du tust, zügele dein Temperament.«
Omar Jussuf schüttelte die Hand seines Freundes ab. »Ich hab mich unter Kontrolle«, sagte er.
»Fick doch deine Mutter. Du merkst ja nicht mal, wenn du sie verlierst«, zischte Chamis Sejdan.
»Also los.«
Sie gingen durch eine Seitentür der Lounge. Der Präsident saß auf der Kante eines Armsessels, las
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