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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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sie selber
mechanisch entstände, wie Buddha sich anstellt und vorgibt, doch diese Prämisse des Materialismus hebt er sogleich
durch die Wiedergeburt auf, einen neuen psychischen Lebensakt. Immer trifft er nur das Ich und nicht das Leben. Die
Mahatmavorstellung macht solche Vorstufe des Nirwana einfach zum Über-Leben des Übermenschen. Braucht Besiegung der
Materie nur den Wunsch dazu, dann müssen die Schutzgeister Cardanos auch andere Wege eröffnen, als die
eintönige Yogimethode, dies kann nicht das Einzige der Ethik sein.
    Bleibt Liebe ein roher Geschlechtsakt, so wird sie freilich Wurzel alles Leidigen, dagegen ist die auf ein Wesen
konzentrierte Auslese ein durchaus psychischer Akt, nach Karmalehre eine Wiederfindung von Platos Schwesterseelen, und wird
oft Ansporn seelischer, sogar heroischer Leistungen. Diesen Motor ausschalten wäre Selbstberaubung, zumal Verzicht nur
temperamentlosen Mittelmenschen leicht fällt und die große Leidenschaft gerade beim höheren Menschen
auftritt. Wenn Weininger trompetet »es gibt nur platonische Liebe«, so genügt Erfüllung des
Keuschheitgebots Buddha nicht, er heischt Unterdrückung jeder Einzelvorliebe als eines Wahns. Mit gleichem Recht
muß er Begeisterung für große Genien und Kunst verbieten. Bringt er vollen Ersatz für die so
vernichteten Seelenwerte? Läuft Verbannung des Egoisme à deux nicht Gefahr, zu Einzelegoismus des nur um sich
bekümmerten »Heils« auszuarten wie bei Mönchen und Pietisten? Das sind unbequeme Stachelfragen und eine
beschämende Rede Buddhas gegen untereinander hadernde Jünger zeigt an, daß geistlicher Hochmut auch indische
Walderemiten nicht verschonte. Verwerfung bloßen Naturlebens faßt Byron in die Stanze: »Unser Leben ist
eine falsche Natur, nicht in der Dinge Harmonie.« Natürlich, weil mit einem Fuß im Sichtbaren, mit dem
andern im Unsichtbaren. Pessimisten, sobald sie sich sentimentalen Mitleids angesichts äußerer Naturfresserei
entschlagen, halten Tier- und Pflanzenleben für unvergleichlich glücklicher, das bedingt schon die geringere
Schmerzfähigkeit, soll man sich also zu eigener Zufriedenheit auf animalisch-vegetativen Zustand zurückschrauben?
Das gelänge nicht mal Schulze und was wird aus der Oberklasse, bei der das Psychische ganz überwiegt, Byron
schildert in allen Tönen das Weltleid, würden aber er und wir sein Leben deshalb ungelebt machen wollen, ohne
daß es Genietaten entfalten konnte? Wäre der Mensch nur Bestandteil der Natur, so verführen er und sie gleich
inkonsequent: Sie, indem sie »die Krone der Schöpfung« zum unglücklichen Hallunken machte und ihm
gerade durch seine Gehirnbevorzugung naturwidrige Übel aufhalste – er, indem er das Leben en bloc kritisiert, das
ihm doch noch beim Tier angenehm erscheint. Beim Biber will man freilich Schopenhauerei bemerkt haben, gegenseitiges Fressen
beginnt schon beim Hecht im Karpfenteich, im ganzen aber würde die Tierwelt sich kaninchenhaftem Behagen hingeben, wenn
nur des Menschen Raubsucht sie zufrieden ließe. Daß er sich dessen bewußt ist, zeigt sein
Abbitte-Bedürfnis, sich mit Haustieren zu umgeben. Man füttert und liebkost die Katze nicht des Mausens wegen,
sondern weil man sie gern hat. Tierliebe ist noch der anständigste Zug im Durchschnittsmenschen; wo sie fehlt, setzt der
Unmensch ein, alle Verbrecher beginnen als Tierquäler. Man schätzt solch schlichtes Naturleben, an dessen
Nachahmung man für sich selbst verzweifelt, verrät aber damit ein Lustgefühl bei objektivem Anblick des
Lebens, das angeblich nur subjektive Unlust erzeugen soll. Dabei erheitert, wenn der Mensch, von Natur undankbar, sich
demütig vor der gütigen Mutter Natur verbeugt, die ihn so stiefmütterlich behandelte. Nichts von den
physischen Vorrichtungen, mit denen die Schöpfung ihre Geschöpfe schützt, kam ihm zugute. Dem Amurtiger wuchs
langhaariger Pelz, dem kanadischen Wolf die Mähne als wärmende Halskrause. Daß die Herrschaften sich selber
die nötigen Kleidungsstücke verschafften, glaubt wohl nicht mal ein Darwinist. Jedem Tier lieh sie passendes Fell
oder Schutzwehr, streut überall Wunder ihrer Fürsorge aus. Doch das fell- und klauenlose ohne jede physische
Verbesserung zu Schutz und Trutz verlassene Säugetier Mensch überlieferte sie Sauriern und Höhlenbären,
wobei sie ihm auch schon die Muskelstärke seines angeblichen Gorilla-Ahnherrn entzog. (Wenigstens zeigen die
ältesten Skelettfunde kleine Statur

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