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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Karma, ihn zu erheben«, allem Sichtbaren ins Unsichtbare
entrückt. So sind alle Buddhas und alle wahren Genien Opfer ihres Drangs, auf Erden ein Heilswerk zu schaffen. Buddhas
»Gesetz des Herzens« (esoterisch »der Augen«) strebt völlige Vernichtung der Illusion des
Geschaffenen an, um ins Ungeschaffene des ewigen Raums überzugehen, der Begriff »ewige Ruhe« bekommt hier
ein anderes Gepräge. Doch als der Erleuchtete unter den Riesenbäumen von Buddha-Gaya sinnend wandelte, beschlich
ihn da nicht die Befürchtung, daß das allmächtige Leben auf Illusionsfähigkeit beruht, daß aber
jene, in denen seine Methode das Illusionsleben ausrottete, nicht immer Menschheitshelden seien, daß mit dem
Geschaffenen auch Schaffen verneint werde, von dem er doch wußte, daß es Beruf und Atem der Allgötter sei?
Die seit Urzeit tätigen Adepten waren nie untätig, sie erschufen die Hochkultur von Ägypten, Babylon, China
und erhoben die Persobaktrer aus rohem Kriegertrotz zu höherer Gesittung. Daß die Kirchenväter die schwarze
Magie verfluchten, die in jenen Tagen römischer Selbstsucht überhandnahm, kann man nur billigen. Doch Jesu
Versprechen, verständnisvolle Jünger würden noch größere Wunder tun als er, erfüllte sich
nicht, es sei denn, daß man Ekstaseimmunität der Märtyrer für wunderbar hielte. Die weiße Magie,
Frucht wahrer Vergeistigung, hat die Christenlehre nicht begünstigt, weil außer Paulus und Johannes wohl niemand
den Kern solcher Gnostik begriff. Jesu Lehre mit Füßen tretend verwandelten die »Herren dieser Welt«
sein »Reich nicht von dieser Welt« in eitel Legende. Legenden schleppen sich fort wie die von Vittoria Colonna,
einer bigotten Vettel, deren Tod ihr Verehrer Michelangelo in einem Sonett verewigte, doch auf die Rückseite ihr
abschreckendes Porträt zeichnete, sich selbst daneben, wie er den Kopf in einen Wildschweinsrachen steckt. Das ist
deutlich, doch modernste Versuche, sich um Auferstehung Gottes zu bemühen, bleiben undeutlich. F. Brentano rettet
»die Lehre Jesu und ihre Bedeutung«, als ob es sich um Mohrenwäsche handle, vier Vorträge von Pastoren
und Professoren verteidigen den Christus, als ob er einer Verteidigung bedürfte!
    Gott schütze ihn vor seinen Freunden! »Der moralische Gott« von David Koigen will Religion zu
Willensenergie machen, die einen Mehrgewinn an realer Daseinsbildung erzielt: als ob dies praktische Christentum, das an
Laskers Machologie erinnert, je Religiöses austiefen könnte! Thöllichs Schriftchen »Grundlinie des
religiösen Sozialismus« hält Religion für aktualisierte Kultur, die ihrerseits aktualisierte Religion
sei. Solche Einseitigkeiten vermeidet Fricks »Anthroposophische Schau und religiöser Glaube« erst recht
nicht durch Losschlagen auf die Theosophie, weil der Glaube auf Belehrung pfeife und glaube, ohne zu sehen. Allerdings
verdammen auch wir das Steinersche Getue, das den Anmaßungen der Kathederwissenschaft gleicht, doch bei wahren
Mystikern leitet ja grade der Glaube ans Unsichtbare. Görlands »Religionsphilosophie« löst Religion von
allen Kulturgebieten los, räumt ihr selbständigen Platz neben Logik, Ethik, Ästhetik ein. Das ist
unmöglich, da religiöse Erkenntnis ohne Zuhilfenahme jener andern Faktoren nie zustande kommt. Messers
»Glauben und Wissen«, »Fichtes religiöse Weltanschauung« deckt zwar Fichtes religiösen
Reformeifer auf, übersieht aber, wie widerspruchsvoll sich lebensfremder Unwirklichkeitssinn zu tätiger
Nationalerziehung erheben wollte. Darwins Stellung zum Gottesglauben brauchte Stölzles Schriftchen nicht zu
erörtern. Daß Darwins Agnostik sich nicht zum Atheismus bekannte, was bei ihm logisch gewesen wäre, hing wohl
mit englischer Idiosynkrasie zusammen; daß seine Weisheit streng wissenschaftlichen Gottesbeweis nicht liefern
könne, mutet komisch an. Wenn Gott durch einen Professor zu beweisen wäre, wäre er nicht Gott, Unsichtbares
wird bewiesen durch Unsichtbares. Von Vedanta zu Jesus, von Plato zu Bruno, von Böhme zu Leibniz war Gott allen
wirklichen Denkern eine Realität. Teilweise auch für Goethe, dessen »Wandlungen« Brehausen, dessen
»Verhältnis zur Religion« Obmauer feststellen. Sehr schön, doch ein klares Bild seiner gesuchten
Urreligion machte sich Goethe nicht, er blieb ein Suchender, tat zwar gelegentlich Tiefblicke in »Magie« des
Dämonischen, wie sich eben einem so gewaltigen Intellekt Ahnungen aufdrängen mußten, doch

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