Der Aufgang Des Abendlandes
des eigenen Behagens für unsichtbar vorschwebenden
Zweck. Wir verkennen also nicht natürliche Ansätze zum Selbst-Erkennen als Nicht-Ich, worauf ja das Yogitraining
fußt. Die Masse aber hat nur vorübergehend ichlose Anwandlungen durch religiöse, patriotische, soziale
Anreize, die unbewußt dem Ich schmeicheln. Allgemein praktisch ist die neue Egolehre untauglich, ideell verführt
sie Schwachköpfe. Ein Ego, das sich aus eigener Kraft Gott gleichsetzt ohne Übereinstimmung mit der Natur, macht
Steiners Kokettieren mit Haeckel doppelt erheiternd. Kein Mystiker verfiel auf Isolierungswahn, alle sind einig, daß
der Gottmensch nur als »Sohn des Vaters« entstehen kann. Man versinkt nicht in den Allgeist, wenn er nicht in
allem lebt vom Pflanzenstäubchen bis zur Sonne. Der erlauchte Regimentsinhaber S. M. der Mensch ernennt sich selbst zum
allerhöchsten und obersten Kriegsherrn, vor dem ein imaginärer hoher Herr der Heerscharen Revue passieren muß
wie vor Wilhelm dem Großen? Über ihn hinaus gibt's nichts mehr, weshalb er auch eiligst Evolutionieren einstellte
und mit dem Scherz »Der Mensch das Maß aller Dinge« jeder weiteren Möglichkeit Halt gebot? Nochmals:
entsprang der Mensch, der nicht sich selber den lebendigen Odem einblies, aus der Natur, so konnte nur sie ihm schenken, was
sie angeblich nicht besitzt, nämlich Geist und Beseelung.
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Die Verworrenheit des Zeitgeists, mit der Steiner die Steine seines Goetheaneums kunterbunt zusammenfügte, erzeugt
auch das Kompromisseln in Dietgens »kritischem Materialismus«. Dieser verabreicht zwar dem Rohempirischen einige
Katzenköpfe, bringt aber Einheit von Objekt und Subjekt wesentlich in bloßem Materiemonismus um. Einen solchen
kann es nicht geben aus dem einfachen Grunde, weil das Gesetz aller Materialisierung in absoluter psychischer Ungleichheit
besteht, Einheit kann nur gesucht und gefunden werden außerhalb des Sichtbaren. Der Materialist verkennt, daß
nicht wahres Sein ist, was nur symbolisch (Helmholtz) wahrgenommen wird, der ältere Transzendentalist verkennt,
daß nicht bloß Schein ist, was sich als Symbol von etwas Unerkanntem auf tut. Auf sich selbst gestellte
Anthroposophie ist aber wirklich nur Schein schwindelhafter Überhebung, wahre Theosophie kann nur auf Sein der Weltseele
abzielen.
Die Unstimmigkeit des Materiemonismus rief den Dualismus unter die Waffen, siehe den Klarismus von Elisarion und seines
Interpreten E. v. Mayer. Dieser deckt den Hunger als Spiritus Rektor jedes Götzendienstes und jedes Philosophensystems
auf! Aus dem Paradoxen übertragen: Wer Ewiggültiges spenden möchte, bleibt von des Gedankens Blässe
seines Zeitmilieus nicht unangekränkelt. Wenn Plato nicht Grieche, was wird aus den »Ideen« als
statuarischen Götterbildern! Hochschäumende Renaissance bestimmt Bruno, englische kaufmännische
Buchführung Mill und Spencer, Pflichtmuß des kargen Preußenstaats Kant. So ähnlich denkt Mayer:
Hungerfron und Hungerwahn führen zu Staat und Gemeinsinn, ethisch ist, was der Masse nützt, Altruismus setzt sich
in Keim-Form des Sozialismus um. Er hätte hier Benthams »Für die größte Masse das
größte Glück« zitieren können, welcher naive Utilitarismus den Malthusianismus und die ebenso
einseitige Manschesterdoktrin als scheinbaren Gegendruck wachrief. Jedenfalls proklamiert die Nationalökonomie bis Marx
den Materiellen Hunger als Maß aller Dinge, als ob der Magen das Hauptorgan des Lebens und nicht bloß Mittel zum
Zweck wäre. Nietzsches Wille zur Macht hungert auch nur nach materiellem Wahn, gefräßig wie ein Riesenpolyp.
Nur hat der Klarismus den Tiefblick: die Wirrwelt der Materie sei geradeso ewig wie die Klarwelt des Psychischen, dieser
fruchtbare Gedanke wird aber nebensächlich behandelt, weil man sich über logische Folgerung nicht klar scheint. Das
Chaos war seit Anbeginn geradeso wesenhaft wie das Zentrallicht; was keinen Anfang hat, hat auch kein Ende, also währt
die sichtbare Unordnung geradeso ewig wie unsichtbare Ordnung, und doch findet sich auch bei Mayer der wirklich wirre
Evolutionswahn. Infolgedessen wähnt er, die Menschheit könne durch Klarismus emporgezüchtet werden, freier
Wille zur Klarheit evolutioniere Eigenwesen. Hier schmeicheln sich verhüllt teils theologische Willensfreiheit, teils
Haeckel und Nietzsche wieder ein. So edel und großzügig diese ideologische Wirrwelt gedacht, wird unbeirrbare
Wahrheitsschau doch mit eiserner
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