Der Aufgang Des Abendlandes
Unerbittlichkeit sie klären müssen. Die winzige Zahl der über Hungerfrohn
Wegstrebenden bildet allzeit eine bestimmte Konstante von den unbekannten Gott suchenden Klaristen inmitten
götzendienerischer Masse. Diese erbetet Hungerstillung oder zittert vor launenhaftem Zorn, wenn sie Pfaffengebote
übertrat, oder sie leugnet den unsichtbaren Götzen, macht sich dafür aber sichtbare: Das goldene Kalb oder die
eiserne Schlange, Kapital oder Staat oder Massentyrannis der Gleichmacherei, was sie als Selbstvergötterung der
Menschheit versteht. Priester wechseln nur den Talar, wie denn Juristen und akademische Körperschaften für
nützlich halten, bei Amtsfunktionen ein feierliches Gewand anzuziehen. Immer wüten Scherbengerichte des Massenwahns
gegen Unabhängige, Massenfrohn bestimmt Kirche und Staat nicht minder als den Sozialismus, Nietzsche zupft nur am
gleichen Garn am andern Webstuhl. Nur ein Weltfremder hofft von Macht brutaler Minderheit Stärkeauslese, Macht wird
ergattert durch betrügerische Verwendung der Massenfron in angeblicher Vertretung des Masseninteresses. Also sprach
Zarathustra mit neuem Kreischton uralten Herren- und Priesterwahn aus, der selber hörig bleibt. Was Mayer für frei
hält, ist determinierte Anlage zum Höherstreben, das sich zwar nicht ersticken, doch auch nicht beschleunigen
läßt. Wenn er »Gnadenwahl« verwirft, so übersetzte man eben theologisch falsch
»Prädestination«, was Notwendigkeit durch Präexistenz bedeutet. Er mißversteht Karma, daß
es materielle Wiedergutmachung vorgaukele, doch wenn ein Kaiser als Bettler und ein Bettler als Kaiser wiedergeboren
würden, so soll dies kein äußerlicher Ausgleich sein. Sondern das in Kaiserwahn befangene Ich erlebt neue
Erfahrung am entgegengesetzten Ende und desgleichen der vielleicht von Neidwut verzehrte Bettler, sofern er nicht durch
geduldige Leiderziehung besser zum Kaiseramt geeignet. Nur schärfere Herausarbeitung wird ihm selbst beigefügt,
Notwendigkeit will nicht gerecht sein sondern ist es, weil gerecht und notwendig das gleiche sind. Deshalb betrachten wir
auch Wirrwelt als Notwendigkeit, für deren gerechten Nutzen dem materiegetrübten Blick die Einsicht fehlt,
Lichtwelt kann nicht bestehen ohne umrahmende Schattenwelt. Allerdings irrt die Floskel »Kein Licht ohne
Schatten«, denn nicht Licht, sondern die Dinge werfen ihren Schatten; da sie selber aber nur ein Schattenwurf des
Unsichtbaren, so kommt das Verhältnis aufs gleiche hinaus. In der Unendlichkeit herrscht notwendig innere Einheit, dies
Grundgesetz kann auch nicht im Diesseits versagen, doch Monismus und Dualismus werden oft zu leeren Worten. Heute möchte
man gar ein räumlich und zeitlich begrenztes All berechnen, was einen Materiemonismus erst recht aufhebt, denn es ist
unvorstellbar, daß außerhalb eines begrenzten Universums nicht noch anderes Unbegrenztes läge, nach dem
Kindertiefsinn »und wer schuf Gott?« Der wahnwitzige Eifer, ein gemessenes Weltbild abzurunden, kommt so vom
Regen in die Traufe, denn was hilft ein Naturgesetz Monismus, wenn es für unmeßbare Unendlichkeit draußen
nicht gilt! Das wäre wieder der schönste Dualismus, nur daß man für »sichtbar« und
»unsichtbar« setzen müßte »meßbar« und »unmeßbar«
(unermeßlich).
Auch irdische Vorgänge kann man begrifflich so oder so drehen. Monismus ist durch Haeckels Nutzanwendung so
anrüchig geworden, daß Chamberlain sein Kantbuch mit wahrer Starrwut in Dualismus verankert. Dualistisch soll
alles heißen, was eine Psychewelt anerkennt, monistisch alles, was sie leugnet, doch Pseudomonismus vertauscht einfach
die Rollen. Bunte Verschiedenheit der Dinge bei völlig ungleichen Ichen erscheint für die Wahrnehmung immer als
Vielheit, die nichts Einheitliches einer mechanistischen Grundformel zuläßt. Die Psyche mit ihren fernwirkenden
Gedankenstrahlen als Stoffwechsel des sichtbar Körperlichen zu erledigen (etwa wie faules Holz phosphoresziert), hat
nichts für sich als Unbegreiflichkeit, mit so ungeheuer verschiedenem Stoffwechsel käme doch Allgemeinheit
mechanistischer Methode nicht auf ihre Rechnung. Hingegen wird alles Geschehen begreiflich als allgemeiner Drang des Lebens,
von der Materie loszukommen, obwohl blinder Selbsterhaltungstrieb sich dawider sträubt. Allein-Dasein des Stoffes
erscheint nur Denkunfähigen möglich, die widersinnig Kraft für sekundäre Stoffeigenschaft erklären,
überall zeigt schon das sichtbare
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