Der Aufgang Des Abendlandes
Auswahl, wobei das Wort Aberglaube beim Materiegläubigen bersonders
erheitert. Denn jeder Einzelglaube eines Materialisten z. B. an Chiromantie (Dumas Fils) schließt Unglauben an
Bloß-Mechanik in sich; wenn sie ehrlich rechnet, darf Regeldetri des Schulmeisterverstandes nicht Vorbestimmung mit
einstellen, während Flammarions Meta-Astronomie in 482 Beweise der Unsterblichkeit Vorbestimmung einbezieht. Wer aber
von Spirits nichts wissen will, darf dann auch nicht wie Renouvier an selbständige Seele glauben. Jede Anerkennung
vorbestimmten Ablaufs des Lebenspendels bedeutet Zerfall des Mechanikglaubens, deshalb muß
»voraussetzungslose« Wissenschaft, päpstlicher Schiedsrichter über Wahr und Falsch, päpstlicher
als der Papst, einfach Reformationen ignorieren. Der katholische Propagandapfarrer Benson fühlt sich genötigt, im
Roman »Necromancers« spiritistische Manifestationen als Tatsachen zu schildern, hilft sich nur damit, daß
er Spirits für böse Elementals ausgiebt, die lauernd die Formen geliebter Verstorbener für sensitivschwache
Menschen annehmen. Besonders auf die Hlg. Kirche sehen sie es ab, dies Bollwerk wider Satan zu untergraben, mal lästern
sie, mal fordern sie schlau zu Gebet auf! Solche Konkurrenz muß bekämpft werden, sonst hält man am Ende
Glauben an die Hlg. Messe für sinnloser als den an Geisterapparat! Ist die Hostie ein Mysteriensymbol, dann eben auch
Schwarze Messe, deren Verfluchung durch die Kirche ja Tatsächlichkeit voraussetzt. Da verfährt halt die Hlg.
Wissenschaft radikaler in schlichter Einfachheit ihrer Bulle, daß alles, was ihr nicht paßt, nicht existiert.
Stößt ein Orthodoxer Gewalthaber der Gelehrtenkirche mal auf ketzerische Entdeckungen, so will er die Folgerungen
nicht mitmachen wie Dugald Stewart bei seiner eigenen These vom Geiststoff (mindstuff), daß dieser Astralstoff erst im
Tode seinen richtigen Körper empfange, den der irdisch Materialisierte nur versteckt.
Wenn neueste Richtung aus einer Reihe Einzelheiten zwecklose Gleichgültigkeit und Grausamkeit der Natur folgert, so
spinnt man nur alten Teufelsglauben fort, doch solch dualistisch böses Prinzip bedeutet gleichfalls Beseelung.
Ältere Forscher mögen die Zweckharmonie übertrieben aus religiöser Beeinflussung herausgeputzt haben,
doch wenn Laplace Gott eine Hypothese nannte, so huldigte er nicht minder atheistischem Augenblicksmilieu, und heutige
Astronomen bekennen sich wieder zur Transzendentalharmonie, denn die Himmelskunde mit ihren großen Maßen schaut
Ausgeglichenheit, wo Physik und Chemie mit ihren an der Erdscholle klebenden Kleinmaßen auf Abirrung zu stoßen
meinen. Man darf nicht die Orthographie eines Autors für zufällige Druckfehler verantwortlich machen, nicht das
Sonnenlicht für Sonnenflecken, deren Ursache wir nur sehr unklar deuten. Bei Helmholtz' »Tatsachen der
Wahrnehmung« begriffen weder die Materialisten noch anscheinend er selber, in welch spirituellem Fahrwasser er sich
bewegt. Kein Inder betonte schärfer die Hinfälligkeit der Sinnewahrnehmung, das stört die Mechanisten nicht in
ihrer Gemütsruhe, da sie eben ihre angeblichen Tatsachen nur aus der Tiefe ihres eigenen werten Gemütes
hervorzaubern. Tycho de Brahe, der berühmteste Astronom seiner Zeit, schnaubte gegen Kopernik: »Wie darf er die
Erde, die bekanntlich eine bewegungslose Masse ist, als Stern in der Euft rollen lassen!« Bekanntlich lacht heute jeder
Schulbub über so unberufene Unwissenheit, künftige Schuljungen lachen vielleicht ähnlich über
Häckels Vermessenheit, für den sozusagen das ganze All eine seelen- und daher bewegungslose Masse vorstellt, die
aber trotzdem aus sich selbst heraus Evolutionsbewegung vollzieht. Welchen Trost aber Steiners Gemeinde bei ihm findet, blieb
uns ein Häckelsches Welträtsel, vielleicht weil sein selbsterkennendes Selbst sich als Gott produziert, der erst so
Existenzberechtigung gewinnt? Er klopft Bruno herablassend auf die Schulter, weil dessen Allseele sich nicht auf den Menschen
allein als letztes Evolutionsprodukt beschränkt. Wieso ein letztes und vorher das All eine gott-willen-geistlose Masse?
Was war denn die Kraft, ohne die kein Stoff sich bewegen, also auch nichts evolutionieren kann? Wenn Paracelsus meint:
»Nichts ist im Himmel und auf Erden, was nicht auch im Menschen ist«, so meint er wechselseitige Allbewegung. Hat
das All keinen Gott, kann es ihn auch nicht so geistreich aus geistlosem Affen im Gottmenschen
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