Der Aufgang Des Abendlandes
gleichwertig, unterbricht Lebensabtötung nicht den notwendigen Prozeß der Wiedergeburten und
muß deshalb dem Karma mißfällig sein, dem vorzugreifen sie sich erkühnt, steht heroisches Leiden nicht
höher als Nirwana-Genügen? Gewiß verfängt nicht der stolze Einwand, man habe heute mehr Kenntnisse als
Buddha oder die Griechen, als ob reiche Zufügung von Ornament, Stukkatur, Kachelöfen die Gebäudestruktur
änderte, die man heute unbewußt immer noch indischem oder griechischem Bauplan nachzeichnet. Doch die durchaus
verschiedene Inspiration Brunos, den Mayer gleichfalls hochmütig abtut, knüpft unbewußt an Jesus an. Wenn
Buddhas Anleitung Glück verbürgt, so nennt Bruno sein von Alliebe erfülltes Herz selig, obschon er wahrlich
nicht buddhistischer Vorschrift folgte, nur eins wünschte er sich noch in einem herrlichen Sonett: Bekennertod in
Flammen. Er ward ihm, und wir erschauern vor diesem geheimisvollem Beweis, daß angebliche Wirr weit jedem so viel
Klarwelt bringt, als ihm erwünscht. Christliche Märtyrer befiel einst massenweise die gleiche Sehnsucht nach
Bekennertod; daß jeder Märtyrer tausend Proselyten machte, begreift man als notwendig: Solche sichtbare
Nichtachtung des Ichlebens überzeugt die Masse von der Gewißheit des Unsichtbaren. Deshalb legen wir Gewicht auf
Giordanos gewaltiges Wort, als er sein beim Verlesen des Urteils vom Henker niedergebeugtes Haupt erhob: »Wohl mit mehr
Angst fällt ihr das Urteil, als ich es vernehme«. Die Inschrift seines Denkmals hat viele erschüttert:
»Hier, wo der Scheiterhaufen brannte, dem Giordano das dankbare von ihm vorausgeschaute Jahrhundert« Doch das 19.
irrte sehr mit dieser Anbiederung, hat nicht die geringste Beziehung zu Bruno, wir finden die Geringachtung, mit der Steiner,
Mayer, Chamberlain über ihn weggehen, höchst symptomatisch. Chamberlain stellt Brunos
»Nach-Innenschauen« Leonardos »Nach-Außenschauen« entgegen. Tatsächlich ergänzen
Bruno und Leonardo einander, letzterer schaute von außen nach innen, ersterer von innen nach außen, denn man wird
sein heliozentrisches Schauen doch wohl auf die Welt gerichtet finden! Man glaubt ihm Schlimmes nachzusagen, daß er,
der Kirchenfeind, von Luther nichts hielt. Als ob der scharfe Erkenner jüdischen Geistes (dem deshalb jüdische
Freigeister tragikomisch Giordanobünde stiften!) nicht im Judenfeind Luther den gleichen semitischen Hierararchenwahn
und in dessen auf die Spitzetreiben des »Glaubens« statt der »Werke« einen noch giftigeren
Teufelsbraten des sacrifizio dell intelletto gerochen hätte! Das Anti-Bruno-Geschwätz ficht uns um so weniger an,
als man damit nur einen Kotau vor der nüchternen Moderne macht, die in Inspiration des großen Denker-Dichters
(Brunos Dialoge sind Gestaltung wie die Platos) wissenschaftlicher Haltung vermißt. Daß Bruno ewige
Transformation der Seelenmonade und damit verbundenen Gerechtigkeitsausgleich lehrte, begrüßen wir als Beweis,
daß echtes Denken immer die gleiche Linie findet. Daß aber Bruno als Einziger neben Sokrates die Blutzeugenschaft
antrat, sollte doch die kleinen Ankläffer mit mehr Pathos der Distanz erfüllen. Goethe und Schopenhauer, die ihn
mehrfach plagiierten, wußten besser, was sie an ihm hatten, dagegen schenken wir Dühring seine Anklage gegen
Spinoza, daß er Bruno plagiiert und verballhornt habe. Die Anregung fiel auf so fremden Boden, daß man ebensowohl
die Offenbarung Johanni mit der Kabbala vergleichen könnte. Wer sich aber gut mit seinem Fortsetzer vertragen
hätte, war Jesus von Nazareth.
Wille zum Heldentod ist aggressiv, Leid und Heldentum in Not und Tod atmen keine unweltliche Stimmung, gerade weil sie mit
Jesus sich freuen »Ich habe die Welt überwunden«. Daß Jesus die Kreuzigung auf sich nahm, wird dies
nicht göttliche Weltethik dem Streben nach Ruhm vorziehen? Gewährt zielvolle Bewegung (Arbeit) nicht auch
Zufriedenheit, wie Asoka von sich aussagte? Steht das Tor zu ewiger Ruhe wirklich offen, setzt nicht in höheren
»Sphären sicher neues abgeklärteres Streben ein? Lebensverzicht läßt sich auch durch selbstischen
Überdruß erzielen, Wunsch nach Grabesruhe ist vielen Materialisten vertraut, ist dies ein ethisches Ziel? Obschon
gegen den falschen Vorwurf des Quietismus gewappnet, nicht ohne Erfordernis von Heldensinn in Selbstüberwindung, leitet
Buddhismus doch auch nur zum Affetto universale hin, den Brunos Eroici Furori mit einen andern Anlauf
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