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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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erreichen. Zwar
heißt es Buddha verkennen, wenn man ihn Heraklit gleichsetzt, ihm ist Fließen der Dinge nicht reine
Unbeständigkeit, beständig bleibt ihm das Psychische in Durchbrechung von Ich und Materie. Doch er redet manchmal
so inkonsequent, seine Nachfolger verfuhren umgekehrt so konsequent, daß die Klaristen ihn als Todfeind alles
Eigenwesens verstehen. »Eigen« ist aber schwer definierbar, als Gegensatz zu Unendlich nur negativer
Grenzbegriff. Will man Unendlichkeit als Nicht-Räumlichkeit, Ewigkeit als Nicht-Zeitlichkeit umschreiben, so reißt
das Denkvermögen, ein begrenztes All wäre erst recht zum Verrücktwerden, da man dann ein Außer-All
suchen müßte und tatsächlich ein All ohne Unbegrenztheit Selbstwiderspruch wäre. Ist »Eigen«
das Nicht-Ewige, Zeitliche, Endliche? Gleichfalls unfaßbar, man bildet sich nur ein, daß man sich als tot
vorstellen könne, und doch baut sich das Sichtbare durchweg auf dieser sterbenden Endlichkeit auf, die wir objektiv
täglich um uns schauen, sie aber subjektiv für uns nicht fassen können. Selbsterkennen heißt allerdings
mystisch Selbstvergessen, wo bleibt dann das Eigenwesen? Wohl aber darf man fragen, ob Heilige so viel zu vergessen hatten
wie ein Genie und ob Asoka nicht mehr Heilswerke vollbrachte als alle Heiligen zusammen. In diesem Sinne war Buddha selber
ein großes Eigenwesen und Jesus als Menschheitsvertreter (»des Menschen Sohn«) erst recht. Wo will man aber
mit der Bezeichnung einhalten? Ist nicht auch Schulze ein Eigener, der seine Eigenheiten hat? Ist Stirners »der Einzige
und sein Eigentum« nicht eine Warnung, daß das Eigene, sobald man es allzu isoliert empfindet, zu anarchischer
Loslösung von jedem sonstigen psychischen Verbände führt? Das wäre die richtige Wirrwelt; wer sich aber
auf Uberzeit und Überraum als Korrelaten des Unsichtbaren einstellt und hineinfühlend (Bergson) sich
außerhalb sichtbarer Stofflichkeit versetzt, dem bleibt wie bei Buddhas 4. Schauung nur wort- und begrifflose
Empfindung. Das relativ Eigene wird bei Veränderung der Bewußtseinsschwelle ins Unsichtbare untergetaucht.
Wirrwelt kann es nur geben in Scheinmetaphysik des Pantheismus, auf den sich auch de Sades Teufelsfratzen berufen. Im Theater
statt des Bösewichts den Autor mit faulen Äpfeln zu bewerfen wäre das Nächstliegende, doch das Böse
in der Natur gehört zur dramatischen Ökonomie der Weltbühne. Gott ist nicht verantwortlich für den
Tigerbiß, der Tiger hat seinen eigenen zureichenden Grund, um den Wildschaden der Wälder zu mäßigen.
Warum Kontraste nötig wie lieben und Tod, das überlasse man gefälligst dem Autor dieser sichtbaren Klarwelt,
deren unsichtbare Kulissenumrahmung erst recht keine Wirrwelt duldet. Dem Pseudoklaristen schreiben wir ins Stammbuch:
»Wer die verborgenen Kräfte nicht erkennt, durch welche die Natur ihr Werk vollbringt, wird durch die Werke der
Natur gebunden«. (Bagghavad Githa.)
Anthroposophie ist nur Umwandlung uralten Kirchenwahns. Im christlichen Eros galt Jesus höchstens als
Hauptaktionär, denn hündische Hoffart als treuer Diener seines Herrn brüstete sich in Origines. »Erst
kommt Gott, dann kommen wir«, Augustin meint verblümt, Gottes Erniedrigung durch Menschwerdung solle uns
vergöttern. »Der Welt Zweck war allein wegen Israel?« Luther, nicht faul, dient darauf: »Wir Christen
sind's, wegen deren Gott die Welt verschont.« Denn sonst: »was ginge uns solcher Gott an, welchen Nutzen
hätten wir davon?« Die haarsträubende Blasphemie des teuren Gottesmanns, der die Lady Patroneß Maria
nur auf die Straße warf, um für Christi Autokratie unter Abdankung Gottvaters Platz zu machen, entweihte das Gebet
zur Bettelei: »Wer so bettelt und unverschämt anhält, tut recht«, wie der Lazzaroni sein Heiligenbild
ohrfeigt, wenn sein Treffer nicht herauskommt. »Engel sollen Henker sein für die Ketzer«, spricht so
Torquemada? Nein, Luther. Die Räudigkeit gottsträflichen Größenwahns reinigt der Taufe
»köstlich Zuckerwasser, in das Gott selbst sich eingemengt«, als Johannes badete, was manch frummer Johannes
der Säufer wohl brauchen kann. »Wir bedürfen einen willkürlichen Gott« (Lavater), dem man die
Akten des Karmagerichts erpresserisch unterschlägt. Dafür sei ihm allein die Ehre, deshalb ist er so kitzlig im
Ehrenpunkt wie ein Korpsstudent, verteidigt sich mit Gotteslästerungsparagraphen, so avanciert ein christlicher
Staatsanwalt zum

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