Der Aufgang Des Abendlandes
Bewußtseins, da somnambuler Zustand die innern Organe des Körperstoffs als etwas Fremdes deutlich
sehen, analysieren und wie die Prevorsterin selbst kurieren kann. Doch bei Erkrankung geistiger Funktionen muß die
Psyche solche Kur bleiben lassen, denn sie sieht nie sich selbst, sondern nur ihre angehängte Stofflichkeit wie eine
Bekleidung außer ihr oder vielmehr als etwas von ihr selbst Zugeschnittenes und Bedingtes. Träumen
versinnbildlicht die Stofflosigkeit der Persönlichkeit, laut jüngster Psychoanalyse lasse sich Erkrankung
bestimmter Organe durch Träume bestimmen, auch sonst setzen anscheinend physische Einflüsse sich in Sinnbilder um,
wie das Fliegen der Herzkranken. An und für sich ist der Körper im Traum abwesend, das Ich fühlt
körperlich nicht sich, sondern entgengetretende Gegenstände. Sind diese aber Fiktionen, so sind sie es nur in
gleichem Grade wie Gegenstände der Wirklichkeit, die ja auch nur vermöge psychischer Auffassung gesehen werden. Die
Psyche bedarf also nicht unmittelbarer Sinnenseindrücke, um ein handelndes und leidendes Leben im Traum durchzumachen.
Spielt dabei Erinnerung des Wachlebens mit, so kann mit ganz gleichem Prozeß die von allen Indern versicherte
Rückerinnerung der Präexistenz durch Trancekontemplation erwachen. Wir erkennen im Traum nur ein Sinnbild
allgemeiner Lebenserfahrung, Träume spiegeln nicht das eigentliche Ichmilieu, sondern das allgemein Individuelle des
Empfindens wieder.
Psychoanalyse fürchtet »Kurzschluß geistiger Selbstberührung«, weil zu bohrende Selbstanalyse
erst recht isoliert. Doch scheint eine gewisse Isolierung der ungleichen Psychen unvermeidbar, aus überspannter
Absonderung entstehen naturgemäß religiöser Wahnsinn und die weltliche Thebaide brütenden
Größenwahns, Rousseau und Genossen machen sich ihre eigene Wüste, isolierte Menschenscheu wie des
Gewaltpredigers von Sils Maria ist meist Menschenfurcht und Einbildung einer materiell unerreichbaren Majestät,
ähnlich dem Despotenwahn der Irren. Solcher Kurzschluß ist notwendiges Ende unehrlicher Selbstbetrachtung,
indessen sehen wir mit hoher Befriedigung, daß ehrliche Selbstzerwühler wie Byron am gewaltigsten die Isolierung
durchbrechen und sich ins All ausströmem, analog der Erfahrung, daß redliche Menschenverächter – nicht
unredliche selbstische Hypochonder – dabei Menschenliebe bewahren wie Byron und Friedrich d. Gr., Leonardo und Goethe,
dem unterm Ministerstern ein wohlwollendes Herz klopfte. »Wer die Menschen nicht hassen lernte, hat sie nie
geliebt« (Chamford). Jede »Kritik des Gefühls« (A. Vetter) aber wird fadenscheinig, solange sie sich
psychoanalytisch auszudrücken meint, ohne Traumleben, Telepathie, Spiritismus als notwendige Ergänzung des
Unbewußten in Rechnung zu stellen. Die Einsiedelei des Gefühls ist sehr weit für sehr verschiedene Eremiten.
Gold erscheint bekanntlich in drei verschiedenen Zuständen als Gelb, Rot, Grün, doch niemand nimmt daran
Anstoß, weil eben der bekannte Stoff Gold dies Farbenspiel erzeugt. Wissenschaft aber erlaubt sich, aus allerlei
Farbenspielen der Natur den unbekannten Grundstoff abzuleiten. Das Abstraktum Moleküle als räumliche Begrenzung
darf nicht mal relative Realität wie Farbe, Wärme, Gestalt beanspruchen. Sehr gut sagt Goethe, daß jede
Analyse eine Synthese voraussetzt, man sich also vor Analyse hüten müsse, wo keine Synthese vorliegt. Man kennt
nichts als unzählige »Dinge«, während »Materie« nur ein nominalistisches Sammelbecken
hypothetisch vorstellt. Beziehung z. B. von Elektrizität und Helium in X-Strahlen kann nichts mit den Begriffen Materie
und Atom anfangen, es bleibt ein sichtbar werdendes Phänomen als relative Wirkung unbekannter Ursachen, wobei Wirkung
nicht mal als objektiv Gegebenes, sondern nur subjektiv Wahrgenommenes sich aufdrängt. Wissenschaft verfährt mit
der Natur so naseweis, wie Staatsanwalt Wulffen »Shakespeares große Verbrecher« mit dessen eigener
sexualpathologischer Anlage erklärt. Weiß er Tatsächliches darüber? Gar nichts. Nur diese einzigartige
Dichtung selber nehmen wir wahr, deren Ursprung wir aus nichts Sichtbarem folgern können. Da erinnert man sich eher an
Ingalese »History and power of mind« 1902, yankeehaftes Praktizieren der Yogalehren, die neben manchem Richtigen
(astrale Farbentheorie usw.) auch widerliche Wendungen ans ordinäre Tagesleben enthält und feierlich
verkündet, wieviel Dollars man
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