Der Aufgang Des Abendlandes
und H. kann dies nie
als stofflichen Vorgang erklären, mag seine Anthropogenie noch so viel neue Namen für seine Phantasievorstellungen
erfinden. Radiolarien der Tiefe schießen also zusammen wie Zellen des Korallenbaums? Dann folgen also auch letztere
einem psychischen Prozeß? Wir haben gewiß nichts dagegen, doch wo bleibt in so beseelter Mechanistik das
materialistische Prinzip? Die Popularisierung seiner »generellen Morphologie« und »systematischen
Phylogenie« wie seine Propaganda für »Welträtsel, Lebenswunder« (1904) der
»Schöpfungsgeschichte« nahm seinem schweren Wissenschaftsgeschütz die äußere Tragweite,
womit er sonst die schlechte Beschaffenheit seiner Zünder und den mangelnden Durchschlag seiner Geschosse
verhüllte, bei dieser Propaganda für Halbgebildete kamen Ecken und Härten noch schroffer heraus. Noch
unglücklicher verlief sein früherer Vortrag »Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft«, wo
er zu krebsen anfing und aus der Kampfstellung zurückhufte, als seien er und Darwin nicht positive Materialisten. Ihre
Anhänger vom Wissenschafter bis zum Arbeiter blieben es aber bis heute, außer einigen wenigen, die auf einmal
Natur und Psychologie völlig trennen, also vom Monismus abfallen. Richtiger Naturalismus läßt aber keinen
Dualismus zu, hier gibt es nur Entweder Oder. Virchows Zellular-Biologie würde logisch auch dazu führen, was er aus
diplomatischen Gründen so mutlos bestritt, als er gegen »Herrn Haeckel« (früher, ›Freund
H.‹) neidisch Front machte. Haeckels wahre Widerlegung lieferte Haeckel selber durch obigen Panpsychismus der Zellen,
dessen Eigentümlichkeit wir ernst zu erwägen geneigt sind. Vielleicht würde die Karmalehre dadurch eine
subtile Modifizierung erfahren, insofern die Verschiedenheiten bei Fortsetzung der Wiedergeburt so oft bei Karmaanzweiflern
Anstoß erregten. Daß sich das ephemere Ich fortsetzen könne, gewinnt hier neue Auslegung der
Transformierung: Während das Ich zerfällt, schießen seine Zellenteile, die »sich erinnern und
lernen«, in neuer Form korallenmäßig zusammen, behalten nur allgemeinen Grundriß des verflossenen
Zellenstaats, ohne ihm im einzelnen gleichen zu können. Natürlich lag Haeckel solche Gedanklichkeit ganz fern, er
brauchte kein Senkblei für seine eigenen Untiefen. Der hochgemute Mann, von dessen blondem Reckentum man mit Stolz wie
von Bismarck rühmen darf »made in Germany« gegenüber dem Shakespearischen »these limbs were made
in England«, verdankte seinen Weltruhm nicht seinem Wahrheitsdrang, sondern dem Flachen und Großschnäuzigen,
in dem seine Proselitenmacherei sich gehen ließ. »Das walte Gott, der Gott des Wahren, Guten,
Schönen!« rief er begeistert. Träumen wir? Ahnte er nicht, wie sehr er diesem Gott zuwider handelte? Nein, er
begriff nicht mal seine eigene Lehre, aus welcher der um ihn gescharte Janhagel von Doktoren und Massenmenschen wahrlich
nichts Wahres, Gutes und Schönes, am wenigsten irgendeine Gottheitform entnahm und damit logischer dachte als er selber.
Sie ficht es nicht an, daß sein Bathylius sich als Niederschlag von schwefelsaurem Kali entpuppte, denn hinter dem
Schaugerüst Spezialgelehrsamkeit darf man nie einen Tempel ernsten Denkens suchen; die ungeheure Mehrzahl der
Spezialisten sind hilflose Flachköpfe, wenn man sie aus dem Entenpfuhl ihres Fakultätsbetriebs auf festes Land
lockt. Nur Universalwissen hat Wert, die dem Mittelmäßigen eigene Verbohrung auf sein sogenanntes Gebiet
bereichert nicht mal die Ertragsfähigkeit des kleinen Ackerstücks, in dem man hin und her schaufelt und etwas
Ersprießliches zu pflanzen meint, wenn man Engerlinge an einem Orte aufspießt, die am andern wieder lustig weiter
kriechen.
So betont Ostwalds »Grundriß der Naturphilosophie« die alte Formel, daß alle Vorstellungen und
Begriffe aus Erfahrung und Vergleichung hervorgehen. Nun, die wichtigsten Begriffe Unsichtbar und Unendlich lassen sich weder
erfahren noch vergleichen, nicht mal der Kausalbegriff. Ostwald gesteht, daß hier »einem Apriori nichts im Wege
stehe«, ja daß dies sogar mit dem Leben identisch sein könne. Ohne uns hier näher damit zu
beschäftigen, betonen wir um so deutlicher, daß Wissenschaft dann notwendig nur auf subjektiven Vergleichen
fußt. O. gesteht offen, daß es keine absolut richtige Behauptung gibt, nur größere und geringere
Wahrscheinlichkeit, aller Fortschritt gehe nur dahin, den
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