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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Mechanik
verhindern.
    Da man von Unendlichkeit weder vorn noch hinten etwas abknapsen kann, so ist im Vergleich zum Weltganzen »das
Resultat der Wissenschaft gleich Null und wird es immer bleiben«? Donner und Doria! auf einmal so bescheiden, wozu dann
der Lärm, was steht den Herren zu Diensten? »Die Gelehrten werden uns nie sagen, wie aus Reptilien Vögel
wurden.« Ja freilich, und wurden sie es wirklich? Natur – ist weder Erfahrungswissenschaft noch
voraussetzungslos, sondern Produkt des Intellekts, der das Wirkliche erkennbar machen möchte. »Daher« hat
sie kein Recht, anderes Wissen zu verneinen, das »die Wirklichkeit zu andern Zwecken umformen möchte«. Woher
denn? Erst müßte man über den Begriff Wirklichkeit klar werden, hat der großmütige Naturalist
nicht selber vorher die Körperwelt als bloßen Bewußtseinsgehalt verneint? Psyche haftet am Unorganischen und
schafft sich ihre Ausdrucksweise von der Amöbe bis zum Gorilla? Das von ihr erzeugte Bewußtsein schafft sich
allerdings die Gegenstände des Erkennens als fortwährende Tätigkeitsbewegung, man kann aber nicht sagen,
daß sie am Unorganischen hafte. Denn erstens gibt es in strengem Sinne nur Organisches, zweitens erkennt das, was der
Mensch Bewußtsein nennt, die Gegenstände gerade gemäß wechselnden Formen des Organischen. Die
Amöbe erkennt anders und andere Gegenstände als der Gorilla gerade vermöge ihrer speziellen organischen
Psyche. So sucht der Mensch äußerlich das Gemeinsame nur in Begriffen, spricht von Masse und Menschheit, als ob
die Individuen gleich wären, womit auch der Sozialismus sich lächerlich macht. Infolge schiefen naturalistischen
Denkens werden sogenannte Monisten oft ärgste Dualisten. Unorganische Psyche! und was ist dualistischer als Haeckels
Versuch, menschliche Vervollkommnungswerte in die Natur einzuschmuggeln! Die Natur kennt keine »Werte« im Sinne
Rickerts, auch Günther weist Unmöglichkeit naturwissenschaftlicher Ethik trefflich nach. (Vgl. Schallmeyer
»Vererbung und Auslese« 1903). Von Möbius »Biozonöse« bis zur Halbheit des Jesuiten
Wasmann, der die Deszendenztheorie verschnörkelt anerkennt, gehen gegensätzlichste Auffassungen doch alle nur um
den heißen Brei herum, daß Leben überhaupt nicht körperlich erfaßt werden kann. Für
Weismanns ziemlich glückliche Instinkttheorie ist Instinkt natürliche Tradition, so hat auch der Mensch vererbte
Instinkte. Daß aber zunehmender Verstand als Gegensatz wirke, scheint fraglich, eher als Regulativ und kein sicheres.
Gewiß sind nicht nur alle Vorurteile, sondern auch Gemeinsinnmoral traditionell; was aber der Verstand gegen sie
vorbringt, ist rationalistische Selbsttäuschung, da der das Individuum lenkende Gemütsinstinkt sich vom Verstand
abkehrt und an Tradition festhält, weil sie befriedigt. Alles Unbewußte ist Instinktleben wie der Dämon des
Sokrates.
    Auch Weismann frönt sonderbaren darwinistischen Einfällen. Löwenmähne als Schutz gegen Bisse? Warum
hat der kanadische Wolf Mähnen, obschon er keinen fremden Biß zu fürchten hat? Edelhirsche beißen sich
untereinander, warum wuchs ihnen kein Mähnenschutz? Warum bildete der Tiger seinen Mähnenansatz nicht aus, den er
gegen Elefantenrüssel nötig hätte? Warum tragen der Mann und nur einige Affen Bärte? Mähne und Bart
sind rein individuell (auch bei Männern und Rassen verschieden), an und für sich aber nur Attribute der
Mannbarkeit; wenn sich bei Frauen Flaum auf der Oberlippe zeigt, sind sie Mannweiber. Statt so natürlicher biologischer
Symbolik braucht Darwinismus weit Hergeholtes wie »Abschreckungsmittel«, die sich meist nur als sexuale
Erregungs- oder Erkennungsformen herausstellen. Allem liegt die Annahme zugrunde, das Tier sei fähig, organische
Veränderungen mit sich vorzunehmen. Warum fehlt dies dem Menschen, dessen Skelett seit Urzeit nur unbedeutende
Veränderungen der Kniescheibe und Kinnlade aufweist? Begabungen wie den Vogelsang möchte man wie Grillenzirpen
bloß vom Liebeswerben abhängig machen, mit gleicher Verwechslung pflegt man zu sagen, Dichten komme vom Minnen,
weil junge Dichter unterm Liebeseinfluß zu singen pflegen. Doch sexualer Anreiz fällt hier einfach mit dem Stadium
reifrer Tätigkeit zusammen, diese braucht aber durchaus nicht Gesang hervorzurufen, sondern Waffenklirren wie bei
Bonapartes italienischem Feldzug unter Furor aphrodisiacus für Josephine. Aber nicht bloß deshalb kam sein Genie
zum

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