Der Aufgang Des Abendlandes
die »Innenwelt« ist das Maßgebende, und die ist beim Modernen gewiß nicht
reicher als im Bewußtseinszustand jener künstlerischen Urmenschen.
Die andere faule Ausrede lautet: Man meine nicht Abstammung vom Affen, sondern vom gemeinsamen Urahnen. Auch das ist
bewußte Unwahrheit. Wozu dann ein missing link? Alle ehrlichen Darwinisten, wie Sollas, meinen klipp und klar Evolution
vom Schimpansen. Abzweigung wäre so noch unnatürlicher und wieso? Zuchtwahl mit anderen Affen, Nahrungswechsel?
Schon vor Menschwerdung karnivor? Wir möchten aber keinen Zweifel darüber lassen, daß unsere Abwehr der
Affenmythologie nichts mit sozusagen theologischen Gründen gemein hat, sondern schlichter Wahrheitsliebe entspringt.
Wenn Wundts »Völkerpsychologie« für das Ideal des Buddhismus »Wahrheit« hält, so gilt
dies für jeden Wahrheitsforscher. Die meisten sog. Theosophen paßten sich opportunistisch dem Darwinismus an,
obschon dieser nur antitheosophisches Rüstzeug den Materiegläubigen in die Hände spielt. Für unsere
Weltanschauung wäre aber im Grunde gleichgültig, ob der Affenmensch Fabel oder nicht. Denn dies Wunder ließe
sich in Analogie zum menschlichen »Kulturfortschritt«, immer nur von einzelnen ausgehend, die dann suggestiv die
Masse allmählich scheinbar mit sich reißen, überhaupt nur so erklären, daß ein besonderes
Affengenie plötzlich über seine Milieumasse hinauswuchs und so langsam den Überaffen anbahnte. Doch wie
Übermenschensucht nie die Gattung erhöhte, so könnte ein Überaffe schwerlich sein ganzes Geschlecht
umgestalten. Wieder stehen wir vor dem Rätsel des Genialen, identisch mit dem von Sollas angestaunten Geheimnis der
Inspiration, und so wäre solche Scheinevolution wieder nur eine »Sache des Geistes«. Woher aber diese
»Macht des Geistes«? Keine Antwort. Wenn Steiner träumt, die tierischen Übergangsformen des
menschlichen Embryos hätten früher in Atlantis als Larven gespukt, so müßten sie nachher vom Heiligen
Geist aus den Wolken befruchtet sein. Welches Interesse hätte die Weltökonomie an so zwecklosem Umweg? Ist nicht
viel möglicher, daß die Natur wie so oft symbolistisch verfährt und gewissermaßen zur
Selbstorientierung im menschlichen Mutterleib ein Register aller animalischen Formen rekapituliert? Um einige Sicherheit zu
erlangen, müßte man die Embryonalformen aller Tierformen vergleichen, wofür natürlich bisher keinerlei
ausgiebiges Material vorliegt. Vorschnelles Drauflosschließen vergißt auch hier jedes gediegene Fundament. Der
Natur ihre Methoden ablauschen wollen ohne eigentliche eigene Methode, zeichnet den altklugen Vorwitz neuester Wissenschaft
aus. Jedenfalls gibt es keine Embryonalentwicklung in der beglaubigten Geschichte der Menschheit, wo die Reihenfolge vom
angeblich Tierischen bis zum Aurignacier nur in ganz verwischter Linie vorausgesetzt wird, die dann plötzlich abbricht
und keine Fortsetzung hat. Wenn der moderne Durchschnittseuropäer nur 1200-1550 ccm Schädelumfang aufweist, so
läßt ein 1650 ccm des Aurignaciers vermuten, daß dessen Genies ein noch mächtigeres Gehirn hatten als
Bismarck und Kant. Nur wo das starre Reich der Notwendigkeit in das nur transzendentale Reich der Freiheit mündet, ist
psychischer Aufstieg denkbar. Dieser, jenachdem Brenn- oder Nullpunkt, bleibt auf Erden immer gleich. Wohl läßt
die große »Sache des Geistes« in bevorzugter Einzelpsyche stete Vermehrung und Bereicherung des Wissens und
Könnens zu, also wirkliche Evolution (z.B. Goethes von Spinoza zu Kant, Bruno, Theosophie). Doch beim
Durchschnittsmenschen wie beim Schimpansen steht es leider umgekehrt, nur Kindheit und Jugend zeigen seelisches Wachstum,
dann folgt geistige und ethische Reaktion zum Minderwertigen. Das Genie, »zeitlebens ein Kind,« dem wir als
Merkmal originale Fortentwicklungsfähigkeit zusprechen, gehört daher schon ins Reich der transzendentalen Freiheit,
nicht einer irdischen Evolution.
Darwins spärliche Beispiele (Archäoptrix usw.) überzeugen nicht mal restlos von Transformation der Arten
zum Säugetier, und wie selbst im Zoologischen das meiste nur Hypothese, so bleibt auch bloße Vermutung, daß
der Neandertaler sich etwa aus dem Heidelberger entwickelte. Das können von Anbeginn verschiedene Typen gewesen sein,
wie der dem Australier physisch ähnliche Buschmann psychisch ungemein von ihm sich unterschied und höherer
Abstammung rühmen durfte, obschon die kubische Differenz
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