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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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hingeschmissen und sich mit uns verbündet. Der Krieg in Europa erweckte den Anschein, als wäre er in absehbarer Zeit vorbei. Und der Krieg in Südostasien hatte kaum begonnen.
    Zwischen den Übungsmärschen, den Fußballspielen, den Abenden in der Kantine gab es Zeiten, die die Armee nicht verplant hatte. In diesen Intervallen wirkten die Gerüchte von kombinierten Operationen und Landungen an der höllischen burmesischen Küste in uns wie Hefe.
    Der Zufall wollte es, daß zwei oder drei Tage, nachdem die Militärpolizisten mich in die Kaserne zurückgebracht hatten, der 2. Zug eine Aufruhr-Übung absolvierte. Wie gewöhnlich gab es in Indien in einigen Gegenden zu wenig Reis und daher in den größeren Städten des Landes Aufstände gegen die Briten, unter anderem auch in Indore. Die Aufruhr-Übung bestand darin, in Kanchapur einzumarschieren und die Hauptstraße abzuriegeln, damit die Reisfresser nicht dorthin vordringen konnten und so weiter. Zu diesem Zweck waren wir mit Schlagstöcken ausgerüstet worden.
    In der Menge entdeckte ich den stillen jungen Mann, der mich zu dem Mädchen geführt hatte. Er hatte ein Buch unter den Arm geklemmt. Entweder sah er mich nicht, oder er erkannte mich nicht, während ich die Tatsache, ihn zu sehen, als Garantie dafür nahm, daß das Mädchen – möglicherweise seine Schwester – immer noch zu haben war. Für den Rest des Tages konnte ich nicht aufhören, an sie zu denken. Oh, sie war so schön! Es war viel mehr als eine Nummer, was ich mir wünschte! Ich wollte mein Herz ausschütten, meine Ziele, meine Träume … und ich wollte die Sehnsüchte und Träume dieses exotischen Wesens erfahren!
    Ich war entschlossen, mein Ziel zu erreichen, bevor wir Kanchapur verließen. Weder die Militärpolizei noch Geordie sollten mich daran hindern. An diesem Abend duschte ich, zog mir eine frisch gebügelte Kombination aus Dschungeldrillich an und begab mich allein in den Basar. Der Himmel war purpurfarben mit goldenen Balken am Horizont, und die Fledermäuse flatterten zwischen den höchsten Jacarandabäumen umher. Ich eilte dorthin, wo die Eckensteher müßig herumhingen.
    Der stille junge Mann war noch nicht im Dienst. Na schön, dann würde ich eben ohne ihn zusehen müssen, wie ich meine Geliebte fand! Diesmal würde ich, verdammt nochmal, aufpassen, daß die Rotmützen mich nicht erwischten. Ich huschte von Baum zu Baum und durch eine Seitenstraße, und sofort spürte ich, wie meine Umgebung sich veränderte. Ich war nicht mehr allein und einsam, war kein heimatloser Söldner mehr; mein Leben war mit Romantik erfüllt, und ich wandelte durch exoti sche Gefilde, um die Erfüllung meiner verzehrenden Liebe zu finden.
    Da war auch wieder diese bevölkerte Straße, voll von Menschen und prall von köstlichen Düften. Nun mußte ich diesen kleinen Hinterhof finden! Und wenn ich das nicht schaffte, dann warteten sicherlich in anderen Höfen großartige Abenteuer auf mich. Ich dachte voller Abscheu an den Ortskommandanten und seine alberne Ansprache und seine Forderung, moralisch sauber zu bleiben. Dieser arme Sack war doch oberhalb seiner Eier völlig tot!
    Nach nur einem falschen Abbiegen stand ich wieder in diesem aufregenden Hof, wo der verkrüppelte Baum in der Enge zwischen verkrüppelten Häusern seinen Geist aushauchte. Welche Tür war es gewesen? Natürlich, die Kerze und die Blume! Die Kerze stand brennend in ihrer Nische, die Blume war frisch, eine weiße Blüte, die ohne Stengel dalag. In einer Stunde war sie verwelkt.
    Ich klopfte an die Tür. Ich machte vor Aufregung beinahe in die Hose. Vielleicht kam überhaupt niemand. Ein Riegel klapperte, die Tür öffnete sich einen Spalt. Ein Knurren ertönte im Innern des Hauses. Die Tür glitt wieder zu. Ich stand da. Sie öffnete sich erneut, schloß sich. Riefen sie jetzt vielleicht die Polizei an? Ein Telefon? In diesem Loch?
    Ich hatte mich schon halb entschlossen, wieder zu verschwinden, als jemand durch die Tür heraustrat. Es war der Junge, der beim letztenmal, als ich hier war, vorausgelaufen war, »Ihnen hat Dame gefallen?«
    »Ja – die ich an dem Abend gesehen habe.«
    »Polizei. Großer Ärger. Polizei ist gekommen, hat vie le geschlagen, alle geweint!«
    »Diesmal hat die Polizei mich nicht herkommen sehen, ganz bestimmt nicht. Wo ist die Bibi?«
    »Dreißig Rupien.« Er hielt die Hand auf.
    »Dreißig Rupien – du hast wohl den Verstand verloren! Sieh doch, ich bin kein Offizier, sondern ein einfacher Soldat, ein

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