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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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sich um uns herum der Dschungel, Flüsse, Bäche, Berge, das Meer und die von Wally Page prophezeiten Mangrovensümpfe ausbreiteten. Dort konnten wir uns nach Herzenslust von Landebooten in anderthalb Meter tiefes, stinkendes Wasser fallen lassen und den Dschungel zu erreichen versuchen. Wir waren am Ende eines Ausbildungstages häufig derart schachmatt, daß wir es kaum zu Fuß zurück zum Lager schafften.
    »Regt euch nicht auf, Jungs«, sagte Charley Meadows und wischte sich über das breite rote Gesicht. »Nach dem hier wird Burma der reinste Spaziergang.«
    Vadikhasundi war ein sogenanntes Dauerlager. Vor uns hatten schon andere dort gelitten. Dort verbrachten wir auch das Weihnachtsfest und sangen »I’m Dreaming of a White Mistress« mit großer Begeisterung über unseren Humor.
    Die gesamte Gegend hatte etwas Urweltliches an sich. Tausendfüßler und Skorpione schlichen durch die Nacht, Schlangen ringelten sich unter jedem Stein, und die Moskitos waren beinahe groß genug, um sich mit den Schmeißfliegen zu paaren, die durch unsere Latrinen brummten. Die feststehenden Zelte, in denen wir wohnten, waren uralt und verkommen; Jack Aylmer, unser allwissender Sanitäter, behauptete, sie seien nach dem Mesopotamien-Feldzug im Ersten Weltkrieg zurückgelassen worden. Unsere Messe war nicht mehr als eine ortstypische riesige Basha, ein aus geflochtenen Rattanrohrwänden bestehender Bau mit einem Dach aus Palmblättern.
    Eines Tages spazierten Geordie Wilkinson, Dusty Miller und ich rüber zur Messe, um zu frühstücken, und unterhielten uns dabei über die jüngsten Gerüchte, die besagten, daß unsere Ausbildung abgekürzt würde, daß wir nach Kanchapur zurückkehren würden, um kampfmäßig ausgerüstet zu werden, und daß wir dann quer durch Indien transportiert werden sollten, um in Madras zu einem burmesischen Invasionsheer zu stoßen. Ein nettes, saftiges Gerücht zum Hineinbeißen, etwas ganz anderes als das Essen, das wir geboten bekamen.
    Die Köche standen in einer Reihe vor ihrem Küchenzelt – drei massige, schmierige Männer. Einer von ihnen, der größte und schmierigste, ein Kerl namens Ron Rusk, war bei allen herzlich verhaßt wegen seines ständigen Rufs: »An die Tröge, ihr Schweine, es gibt was zu fressen!«
    Sie teilten an uns je ein Stück Brot, Fleischeintopf, Kartoffelbrei und eine Tasse kochendheißen Tee aus. Von den Köchen an der Essensausgabe bis zum Kantinenzelt waren es nur ein paar Meter.
    Während wir uns bei angeregter Unterhaltung dorthin begaben, ertönte in der Luft plötzlich ein Rauschen, und ein großer Vogel, der von hinten auf uns zusteuerte, stieß zwischen Geordie und mir herab und schnappte sich zwei Klauenvoll von dem Fleischeintopf in Geordies Eßgeschirr, das Geordie aus der Hand rutschte und klappernd über den Erdboden kullerte. Geordie stieß einen Schrei aus und sprang zurück, wobei sein Adamsapfel einen wilden Tanz aufführte. »Verdammte Hölle, Jungs! Das ist mein verdammter Fraß, oder nicht? Ich hab’ für das Zeug hart gearbeitet!«
    Mittlerweile tauchte ein schäbiger Vogel auf dem Dach des Küchenzeltes auf und schob sich zwischen sei ne Gefährten. Die drei Köche brüllten vor Lachen und schlugen sich hinter ihrer Theke gegenseitig auf den Rücken.
    »Du bist hier in Indien, Kumpel!« sagte einer von ih nen.
    »Hast du denn geglaubt, das ist ein Kanarienvogel? Hast du noch nie einen Geier gesehen?«
    »Das habe ich«, erwiderte Geordie. »Die liefern doch das Fleisch, das ihr in den Eintopf tut, nicht wahr?«
    »Du solltest nicht so ’ne dicke Lippe riskieren«, riet Rusk ihm. »Hab du erst mal deinen ersten Einsatz hinter dir, ehe du dich mit mir anlegst.«
    »Mein erster Einsatz geht dich einen Dreck an, ich will eine frische Portion«, forderte Geordie und hielt sein Eßgeschirr hoch. »Ich habe schließlich ein Recht auf einen Nachschlag.« Ich sah, daß der Vogel ihm zwei lange Kratzer beigebracht hatte, die vom Ellbogen bis zu seinem Daumenballen reichten.
    »In dieser Armee gibt es so was wie Rechte überhaupt nicht. Du hast deine Ration bekommen«, meinte Rusk und wedelte abwehrend mit dem Schöpflöffel. »Wenn du sie verloren hast, dann ist das deine Schuld, und daher bekommst du nichts mehr, jedenfalls nicht von uns!«
    »Nun komm schon, Mann! Du hast doch verdammt nochmal gesehen, was passiert ist! Gib mir noch was. Bitte!« Einige Sekunden lang sah es so aus, als bräche Geordie gleich in Tränen aus.
    »Verpiß dich, Kumpel! Das war

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