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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Er sprach sehr leise und war ein hervorragender Schütze, genauso wie Bamber. Chalkie war schon früher in Indien gewesen, im Jahr 1935; am ersten Tag, als die 8. Brigade in Kanchapur eintraf, kam Ali zu ihm und verlangte in unterwürfigem Ton fünf Rupien.
    Es stellte sich heraus, daß Ali 1935 in Peshawar Teeverkäufer gewesen war oder vielleicht auch nur der Freund eines Teeverkäufers. Chalkies Gesamtschuld belief sich mittlerweile auf fünf Rupien. Acht Jahre und viele Rekruten später erschien Ali, um die Begleichung der offenen Rechnung zu fordern. Er vergaß niemals eine Schuld oder ein Gesicht. Chalkie zahlte natürlich wie ein Gentleman.
    Diese Gedächtnisleistung ließ Alis Aktien in unserer Kompanie erheblich in die Höhe schnellen. Das Gleiche geschah natürlich auch bei Chalkie; er wurde berühmt als der einzige, der Indien hatte verlassen können, ohne seinen Teeburschen zu bezahlen. Zu Ali gingen wir immer, wenn wir eine Bestätigung oder ein Dementi eines Gerüchts hören wollten: Ali, der sich Chalkies Schuld gemerkt hatte, achtete darauf, stets über alle Truppenbewegungen informiert zu sein. Er schaffte das durch ein Netz von Reinigungspersonal, Lastenträgern und Händlern, die im Lager und in der Schreibstube der Kompanie arbeiteten.
    Es war Ali, der uns informierte, daß wir zwecks einer Ausbildung für amphibische Einsätze nach Belgaum verlegt würden. Diese Information wurde mit lautem Stöhnen und Schimpfen aufgenommen, vor allem von denen, die zuerst annahmen, sie hätten als Zielort Belgien gehört.
    »Ich melde mich verdammt nochmal krank, Kamerad«, sagte Wally Page, krempelte die Ärmel an seinen wolligen gelben Armen hoch und boxte mich auf eine Stelle zehn Zentimeter oberhalb des Ellbogens. »Wie ist es denn mit dir? Belgaum! So eine Scheiße! Die werden mich nicht zu irgendeiner amphibischen Operation zwingen.«
    »Vielleicht ist es nur für eine oder zwei Wochen«, meinte Geordie. »Eine oder zwei Wochen wären doch gar nicht schlecht, oder?« Er sah Wally und mich gespannt an.
    »Viel lieber würde ich nach Arakan gehen und ein bißchen Action erleben«, sagte ich.
    »Ich auch, Stubby! Wir können Geordie ja dann in diesem Scheiß-Belgaum zurücklassen. Willie Swinton will sich ein bißchen aufspielen!« Willie Swinton war Oberstleutnant William Swinton, Kommandeur der 2. Royal Mendip Borderers. »Er läßt sich von Mountbatten herumschubsen. Wir hätten sämtliche Amphibienoperationen doch auch zu Hause ausprobieren können, oder etwa nicht?«
    »Nicht im Scheiß-Belgaum, da nicht«, sagte Geordie.
    »So eine Kacke, Geordie! Ich wate weder für Willie Swinton noch für sonst jemand mit einem Funkgerät auf dem Rücken durch endlose Mangrovensümpfe, das kann ich dir sagen.«
    »Du hast sie ja nicht mehr alle auf der Latte, Page! Du wirst verdammt nochmal waten, wenn sie dir den Befehl geben, und das weißt du auch!«
    »Meinst du wirklich? Willst du wetten?«
    Aber wie immer wateten wir, als sie »Waten!« befahlen, und zwar die Protestler wie Wally genauso wie die Nichtprotestler wie Geordie.
    Ali hatte recht. Es war tatsächlich Belgaum, unten an der Westküste hinter Bombay – dort sollten wir Weihnachten und noch viele weitere schlimme Tage verbringen.
    Wir verließen eines sehr frühen Dezembermorgens die Kaserne in feldmarschmäßiger Ausrüstung, begleitet von Aufmunterungen unserer Sergeants, uns richtig ins Zeug zu legen, wenn wir uns der Stadt näherten. Während wir die Straße hinuntermarschierten und aus voller Brust »The Old Red Bags That Mary Wore« sangen, sickerte die Morgendämmerung hinter den schweigenden Türmen der Parsen herein. Die Nachtwolken wurden vertrieben, verfärbten sich von schieferblau zu golden und lösten sich dann ganz auf. Eine Art bedrohlicher Schrecken lag in der Weise, wie die Sonne am Firmament hochkroch – man wußte genau, welche Prügel man von ihr beziehen würde, ehe sie wieder unterging. Lebe wohl, Kanchapur! Und lebe wohl – aber ich wußte ihren Namen überhaupt nicht!
     
    Alles, was Prestatyn jemals an Hassenswertem dargestellt hatte, wurde jetzt zu Belgaum. Ansonsten bestand zwischen beiden Orten keinerlei Ähnlichkeit.
    Wir waren nicht in Belgaum direkt, einer schäbigen Garnisonstadt, welche wir schon bald vergleichsweise als himmlischen Ort betrachteten, sondern in einer Gegend viel näher an der Küste namens Vadikhasundi. Dort wohnten wir zwei Monate lang in Zelten auf einem seltsamen roten Wüstenstreifen, während

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