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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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problematisch.«
    »Ich schiebe meinen verdammten Schwanz niemand in den Mund«, sagte Geordie. »Irgendwie habe ich dafür zu viel Achtung vor meiner Freundin.«
    »Wenn du sie nicht hast, Geordie, dann hat niemand sie!« stellte Dusty Miller fest. Als wir alle lachten, erröte te Geordie.
    So hatten wir unsere wilden Träume oder erfanden sie. Ein Gefühl der Schuld hatte sich derart in die ganze Situation eingeschlichen, daß alles irgendwie verzerrt erschien. Wenn wir bekamen, was wir suchten, dann taten wir so, als bekämen wir es nicht; und wenn wir es nicht bekamen, dann taten wir so, als bekämen wir es.
    Viele der Mendips taten es regelmäßig. In unserer Einheit hatte Dave Feather, ein väterlich wirkender Mann mit allmählich grau werdenden Haaren, ein angenehmes Arrangement. Er hatte eine regelmäßige Verabredung in einem Schuppen hinter der einzigen Autowerkstatt von Kanchapur. Dort erschien jeden Samstagnachmittag eine Frau mit ihrem Zuhälter. Gerüchte besagten, daß sie eine wichtige Persönlichkeit sei – Gerüchte, die dadurch weitere Nahrung erhielten, daß Feather sich zu diesem Arrangement in keiner Weise äußerte. Er stritt weder ab noch bestätigte er, was hinter der Autowerkstatt einmal in der Woche vor sich ging. Und er war nicht gerade der Typ Mensch, dem man mit lästigen Fragen zusetzte.
    Seine undurchsichtige Haltung, große Dinge anzudeuten, ohne auch nur die kleinste Behauptung aufzustellen, war sehr leicht nachzuahmen und leistete all denen beste Dienste, die insgeheim hofften, als Sexualathleten zu gelten; denn das Kasernenhof-Ethos, dem alle sich unterwerfen mußten, forderte, daß Same ganz gleich, wie, vergeudet wurde, und zwar so oft, wie man ein Bier zu trinken pflegte. Unsere Sergeants hatten einen oft benutzten Spruch, wenn sie es zuließen, daß wir eine Pause von zehn Minuten einlegten: »Okay, Zigarettenpause für alle. Wer nicht raucht, tut so als ob!« Beim Sex wurde diesel be Gleichförmigkeit erwartet.
    Diese Phantasiebarriere wurde durch einen oder zwei Lieblingsallgemeinplätze gewürdigt. Das alte Sprichwort: »Hunde, die bellen, beißen nicht« wurde häufig angeführt, bevorzugt sowohl wegen der Symmetrie seiner Aussage als auch wegen seiner Weisheit. Es übersah die Tatsache, daß viele der aktivsten Lüstlinge der Brigade, die deswegen bekannt waren, daß sie alles mit vier, drei oder zwei Beinen bumsten, so gut wie niemals etwas sagten, das nicht in irgendeiner Form Ausdruck ihrer Gelüste war.
    Während dieser Wartezeit in Kanchapur freundete Geordie Wilkins sich mit dem alten Jack Aylmer an, der Ordonnanzpflichten wahrnahm und Fußprobleme hatte. Ich hatte mich schon lange vorher für Aylmer interessiert. Aylmer hatte eine Textzeile eines Liedes, die er ständig sang und die in melancholischem Ton gehalten war: »Könnt’ ich doch sehen, wie du vor mir stehst …«
    Diese Zeile verfolgte mich. Sie stammte aus der Blumenarie in »Carmen« und war stark genug, um Aylmer mit einer vollständigen Vergangenheit zu versehen. Ich betrachtete ihn als unglaublich alt – und tatsächlich muß er Ende dreißig gewesen sein – mit einer alternden Ehefrau, die er sehr liebte; sie lebten zusammen in einer kleinen Hütte in Cornwall, deren Fenster bei bewegter See von der Gischt des Atlantiks benetzt wurden. Er hatte irgendeinen Beruf gehabt, Rechtsanwalt vielleicht, war darin gescheitert und unterstützte nun seine liebe Frau als Gärtner. Der Krieg hatte ihre Trennung bewirkt, und sie lebte jetzt mit einem Tuchhändler zusammen, aber er konnte sie nicht vergessen und sang diese eine Textzeile wieder und wieder nur für sie.
    Von dieser Vision eines komischen Pathos animiert, fing ich an, regelmäßig mit Geordie und Aylmer in der Kantine zu trinken. Natürlich entsprach Aylmers Herkunft, wie sich später herausstellte, überhaupt nicht dem, was ich mir vorgestellt hatte. Er stammte aus einer großen Familie, die über einem Friseurladen wohnte, hatte in einer Glasfabrik gearbeitet und trug auf seiner linken Gesäßhälfte die Tätowierung eines Doppeldeckerflugzeugs.
    Das Reizvolle an Aylmer war, daß er ein Märchenerzähler war. Allgemein lehnte man ihn wegen dieser Eigenschaft ab, und er hatte nur wenige Freunde. Kaum fing er einen Satz mit »Damals, 1936 –« oder mit »Als die Mendips im Nahen Osten waren –« an, so erhoben sich laute Zwischenrufe wie: »Er fängt schon wieder an zu prahlen!«, um ihn zum Schweigen zu bringen. Geordie und ich konnten jedoch

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