Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
die Hand nehmen! Ihr Ausguck hat die Wache erspäht, die aus der Stadt kommt, um den Aufruhr zu unterdrücken.«
Seine Vermutung stimmte. Aus dem Getümmel am Landungssteg fuhr auf den Pfiff plötzlich ein halbes Dutzend Köpfe hoch, sah den aufgeregt winkenden Arm, und schon im nächsten Augenblick lösten sich die arg zerzausten jungen Männer hastig aus dem Kampfgetümmel, ließen fallen, was immer sie in den Händen hielten, und rannten in verschiedene Richtungen davon. Einige flohen in die Au hinaus, wo die Büsche am Flußufer genug Deckungen boten, andere den Hang hinauf zu den versteckten Wiesenpfaden, die durch die klösterlichen Obstgärten in die Richtung des Marktes führten.
Einer verschwand unter den Brückenbogen, um stromaufwärts mit nassen Füßen, doch sonst ungeschoren zu entrinnen. Gleich darauf klapperten Hufschläge über die Brücke, und ein halbes Dutzend Männer von der Wache kam zur Landungsstelle getrabt, während eine zweite Gruppe geradeaus zum Pferdemarkt ritt.
»Jetzt ist es so gut wie vorbei!« sagte Ivo Corbiere fröhlich.
»Bruder, wollt Ihr mir mit einem Ruder zur Hand gehen? Ich denke, Ihr kennt diesen Fluß besser als ich, und dort draußen treiben viele hart erarbeitete Waren. Vieles davon ließe sich noch retten.«
Er dachte nicht daran, sich zurückzuziehen. Schon hatte er das kleinste und manövriertüchtigste Boot ausgewählt, das am Steg lag, und noch ehe die Männer der Stadtwache ihre Pferde zwischen die noch im Kampf verbissenen Streiter getrieben hatten und anfingen, die Einheimischen am Haar herauszuziehen, war er hineingesprungen. Bruder Cadfael folgte ihm. Die Komplet sollte in zehn Minuten beginnen, nach seiner inneren Uhr, und er hätte sich entschuldigen und die Bergung der Waren diesem zuversichtlichen und imponierenden jungen Mann überlassen sollen. Doch hatte man ihn hierhergeschickt, weil er einem Besucher des Klosterjahrmarkts helfen sollte. Und konnte er nicht argumentieren, daß er noch immer eben damit beschäftigt wäre? Bevor er eine Antwort gefunden hatte, saß er in dem geliehenen Boot, ein Ruder in der Hand, den Blick auf der nächsten Kiste, die im Wasser des stillen Flusses schwamm. Das war Antwort genug.
Bald blieben die Geräusche zurück. An der Landungsstelle bemühten sich alle, Ballen und Bündel mit Haken aus dem Fluß zu ziehen, Gegenstände stromab zu Buchten und stillen Gumpen zu verfolgen, wo sie aus der Strömung geraten waren und sich an Land holen ließen, und fluchend oder lamentierend solche Waren aufzugeben, die durch das Wasser ruiniert waren. So schrieb man Verluste ab, berechnete dankbar Profite, die nach Entrichtung aller Abgaben, Zölle und Marktgebühren noch zu machen waren, und fügte sich in das Geschick. Der angerichtete Schaden war nicht so groß, er ließ sich ertragen.
Gegenüber der Klostermauern wurden Marktstände wieder aufgerichtet, umhergestreute Waren eingesammelt, gereinigt und wieder zum Verkauf bereitgelegt. Es war fraglich, ob der Tumult überhaupt bis zum Pferdemarkt vorgedrungen war, wo die großen Kaufleute ihre Ballen öffneten. In den kalten steinernen Kerkern der Burg und der Stadt saßen bereits die ersten zehn oder fünfzehn Übeltäter, hätschelten ihre Prellungen und verwundeten Gefühle und fragten sich, wie ihr edler und würdiger Protest in solch einem Durcheinander hatte zuschanden werden können. Was Philip Corviser betraf, so wußte niemand, wohin er geflohen war, nachdem er die hilfreichen Anhänger abgeschüttelt hatte. Das kurze Abenteuer war zu Ende, der angerichtete Schaden nicht allzu groß. Nicht einmal der erste Grafschaftsbeamte, Gilbert Prestcote, würde allzu hart mit den wohlmeinenden, aber schlecht beratenen jungen Männern Shrewsburys verfahren.
»Ihr Herren«, sagte Thomas von Bristol, beruhigt und erfreut über die Bergung fast aller seiner Waren, »ich kann Euch für diese großzügige Hilfe nicht genug danken. Nein, die Fässer werden keinen Schaden genommen haben. Die Käufer meiner Weine werden sie vor dem Anzapfen eine gute Weile einlagern, und die Güte des Weines wird nicht gelitten haben. Die Zuckerwaren hatten wir, Gott sei gedankt, noch nicht entladen. Nein, ich habe keinen größeren Schaden zu beklagen. Und mein Kind hier steht genauso in Eurer Schuld. Komm, mein Liebes, versteck dich nicht dort drinnen, entbiete diesen guten Freunden deinen Dank! Laßt mich Euch, Ihr Herren, meine Nichte Emma vorstellen, Emma Vernold, die Tochter meiner Schwester und
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