Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
allmählich freigemacht wurde.
»Ihr habt allerlei aufgesammelt, wie ich sehe«, bemerkte er mit einer Handbewegung zu diversen Gegenständen, die in einem Winkel des Ochsenkarrens lagen - ein großer Schuh, ein kurzer Kittel, beschmutzt, aber keineswegs alt oder zerlumpt, die Holzpuppe eines Kindes, der ein Arm fehlte, eine grüne Kapuze, ein Trinkhorn.
»Da wird es noch mehr geben, Bruder«, prophezeite einer der Knechte grinsend, »bevor alles abgeräumt ist. Manche Dinge werden von ihren Besitzern abgeholt. Ich denke mir, ein Kind wird an seiner Puppe hängen und wissen wollen, wo sie ist. Und der Kittel ist gute Ware, irgendein junger Herr trank einen Tropfen zuviel und vergaß ihn mitzunehmen, als er weiterging. Der Schuh ist auch so gut wie neu und wie für einen Riesen gemacht, jemand mag ihn vermissen und danach fragen. Ich hoffe, er hat mit einem Schuh nicht allzu weit nach Haus. Aber es war keine laute und pöbelhafte Nacht. Nicht viele Nächte waren so ruhig wie die letzte.« Er schob muskulöse Arme unter einen Stapel von Schrägen und hob ihn auf. »Nun, wenigstens die Flasche da werden wir zu Geld machen können.«
Er wies mit dem Kinn zum vorderen Teil des Karrens, dem Cadfael bis dahin keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. An einer dünnen Lederschnur hing eine flachrunde Glasflasche von der Deichsel, groß genug, vier oder fünf Schoppen zu fassen. »Lag auf dem Planendach eines Marktstandes. Eine alte Frau, die Käse verkauft, hatte den Stand, ich kenne sie, sie kommt jedes Jahr, und weil sie heutzutage nicht mehr so flink auf den Beinen ist wie in früheren Zeiten, bauten wir am Abend vor dem Jahrmarkt den Stand für sie auf. Als wir ihn heute früh wieder abbauten, wäre die Flasche unserem Daniel hier um ein Haar auf den Kopf gefallen! Eine teure Glasflasche so fortzuwerfen, als ob sie keinen Wert hätte! Hätte der Käufer sie zu Wat zurückgebracht, er hätte wohl einen Batzen dafür bekommen.«
Sein Armvoll Schrägen polterte in den Karren, und er wandte sich um und hob einen Stapel auf.
»Dann stammt sie aus Wats Taverne?« fragte Cadfael mit einem nachdenklichem Blick.
»Sein Zeichen ist in die Lederschnur gebrannt. Wir wissen alle, wohin diese besseren Gefäße gehören. Aber sie bleiben nicht oft für uns liegen.«
»Und wo war der Stand, wo diese zurückgelassen wurde?« erkundigte sich Hugh.
»Keine zehn Schritte rückwärts von der Stelle, wo Ihr steht«, antwortete der Knecht. Sie blickten zurück, um abzumessen, und es paßte. Es war sehr wahrscheinlich die fragliche Flasche. »Als sie kam, um ihre Waren auszulegen, schwor die alte Frau, daß es nach Schnaps stinke«, fuhr der Mann fort. »Sagte, sie habe den Geruch schon in den Röcken, als ob sie im Schnaps gewatet hätte. Aber nach dem ersten Tag vergaß sie es. Sie ist eine halbe Waliserin und hat etwas Wunderliches an sich. Wahrscheinlich hat sie sich die Sache eingebildet.«
Cadfael hätte eher gesagt, daß sie einen guten Geruchssinn haben mußte sowie einige Erfahrung mit destilliertem Alkohol und die Ursache ihres Unbehagens zutreffend eingeschätzt hatte. Irgendwo nahe ihrem Stand, des war er jetzt gewiß, hatte Turstan Fowler einen guten Teil seines Genevers über seine Kleider und ins Gras geschüttet. Kein Wunder, daß der Boden gerochen hatte. Eine Kostprobe war sicherlich auch durch die Kehle gegangen, um den Atem zu parfümieren und den Sinn zu festigen, aber nicht mehr, denn der Sinn war hinreichend gefestigt gewesen, als Fremde sich über seine fleischliche Behausung beugten und an ihrer auffallenden Trunkenheit schnupperten. Lauter Fremde, bis auf einen! Cadfael begann zu sehen, was kaum Erleuchtung genannt werden konnte, denn er schaute in einen Abgrund von Finsternis.
»Der Zufall will es«, sagte er, »daß wir mit Walter Renold Geschäfte haben. Laß mich die Flasche zurückbringen, der Erlös daraus soll euch zufallen.«
»Nimm sie, Bruder«, erwiderte der Knecht bereitwillig und band die Flasche von der Deichsel los. »Sag ihm, Rychart Nyall hätte sie geschickt. Wat kennt mich.«
»Ich nehme an, es war nichts darin, als ihr sie fandet?« fragte Cadfael, als er die Flasche entgegennahm.
»Nicht ein Tropfen, Bruder! Jahrmarktsbesucher mögen die Flasche liegenlassen, aber sie achten darauf, daß nichts drinnen bleibt, bevor sie umfallen.«
Die Planken wurden verstaut, der freigeräumte Boden lag nackt und zertrampelt, die Ochsen zogen den Karren weiter. Ein paar Tage, und die nächsten
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