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Der Aufstand

Der Aufstand

Titel: Der Aufstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean McCabe
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wo oben und unten war. Er schrammte mit den Fingern über die schleimige Mauer, und sein Herz hämmerte wie wild.
    Dann schoss sein Kopf aus dem Wasser, und er rang erleichtert nach Luft. Aber er war nicht zurück an der Wasseroberfläche, sondern in einer Art Höhle, und nur wenige Zentimeter über seinem Kopf erstreckte sich eine rissige Decke aus nassem Stein. Er musste genau unter der Kirche sein. Früher war hier wahrscheinlich so viel Platz gewesen, dass ein Mensch ganz aus dem Wasser steigen konnte, doch mittlerweile war die Stadt so weit abgesunken, dass es gerade noch für Kopf und Schultern reichte.
    Aus einem Spalt in der Wand der Höhle ragte etwas heraus: ein altes, schon weitgehend verrottetes Stück Sackleinen. Er stemmte sich mit den Beinen gegen die Mauer, packte es und stellte fest, dass der Stoff um etwas Hartes, Sperriges gewickelt war, das jemand in das bröckelige Fundament gerammt hatte. Er zog daran und rüttelte vorsichtig, bis es unter einem Schauer von Gesteinsbröckchen herauskam. Mir pochendem Herzen riss er das Sackleinen ab.
    Und tatsächlich, da war es: das schimmernde Kreuz mit der keltischen Form. Es war knapp vierzig Zentimeter lang, und in seinen äußeren Ring, der das Oberteil mit dem Schaft verband, waren runenartige Zeichen und seltsame Muster eingemeißelt. Es bestand aus einem Gestein, das er nie zuvor gesehen hatte – quarzartig, dichter als Granit, cremeweiß mit schwarzen und leuchtend grünen Tupfen. Er drückte es an die Brust und schloss die Augen. Er hatte es gefunden.
    Joel konnte es gar nicht erwarten, es Alex zu zeigen. Er steckte das kostbare Stück in seinen Gürtel, atmete tief die abgestandene Luft der Höhle ein und tauchte wieder heraus. Sekunden später durchstieß er die Wasseroberfläche und hievte sich ans Land, zu aufgeregt, um die betäubende Kälte zu spüren.
    «Alex! Du wirst es nicht glauben …»
    Keine Antwort. Sie war nirgendwo zu sehen. Er blickte sich um und sah, dass sie den Reißverschluss ihres Rucksacks geöffnet hatte, während er unter Wasser gewesen war. Der Rucksack lag leer auf dem Pflaster neben dem Kanal, und daneben lag das geheimnisvolle Objekt, das sie die ganze Zeit über mit sich herumgeschleppt hatte. Er ging in die Hocke, um es sich näher anzusehen. Es war ein länglicher Stahlbehälter, wie Fotografen ihn zum Schutz ihrer empfindlichen Ausrüstung benutzen. Die Verschlüsse waren geöffnet und der Deckel aufgeklappt, sodass die Schaumstoffauspolsterung im Innern zu sehen war. Doch etwas an dem Behältnis war ungewöhnlich: Es war dick mit einem dunklen Material ausgekleidet, bei dem es sich offenbar um Blei handelte. Deshalb also war das Ding so schwer. Aber warum hatte sie es mitgebracht?
    «Alex?», rief er erneut.
    «Hier bin ich», antwortete sie. Argwöhnisch lugte sie in zwanzig Metern Entfernung hinter einer Säule hervor.
    «Warum versteckst du dich da?», fragte er verblüfft, mittlerweile vor Kälte an Armen und Beinen schlotternd. «Ich habe das Kreuz gefunden, Alex. Ich hab’s gefunden!»
    «Leg es in den Behälter», rief sie ihm zu. Ihre Stimme klang so entsetzlich schwach, als koste es sie größte Mühe, die Worte hervorzustoßen.
    «Was ist denn los mit dir?»
    «Mir geht es nicht gut, Joel. Leg das Kreuz in den Behälter, ja? Es ist radioaktiv», fügte sie verzweifelt krächzend hinzu. «Ich wollte es dir eigentlich vorher schon sagen. Man sollte es möglichst nicht anfassen.»
    Er runzelte die Stirn. «Warum sollte es radioaktiv sein? Das ist doch nur ein altes Stück Stein.» Er trat einen Schritt auf sie zu und schwenkte das Kreuz durch die Luft. «Schau doch mal.»
    «Nicht näher kommen!», schrie sie. Die Anstrengung, die sie das kostete, ließ sie auf die Knie sinken, während sie stöhnend die Arme um sich schlang. Im Schein einer Straßenlaterne erkannte er an der Blässe ihres Gesichts und den dunklen Ringen, die sich plötzlich um ihre Augen gebildet hatten, dass es ihr ganz offenkundig tatsächlich sehr, sehr schlecht ging.
    Er wollte gerade etwas sagen, als ein schwerer Schlag, der aus dem Nichts zu kommen schien, ihm die Luft raubte. Er ging zu Boden, noch immer das Kreuz in der Hand. Als er hochblickte, sah er, wie ein großer Kerl in einer schwarzen Bomberjacke und mit einer Wollmütze auf dem Kopf gerade dabei war, ihm in die Rippen zu treten. Joel rollte sich zur Seite, um dem Tritt auszuweichen, doch plötzlich kam eine zweite Gestalt aus der Dunkelheit und trat ihm in die Magengrube.

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