Der Aufstand
entrüstete sich Lonsdale. «Keiner kann beweisen, dass ich das bin.»
«Jeremy, Jeremy, halten Sie uns eigentlich für so dumm? Ich habe Ihnen natürlich nur einen kleinen Ausschnitt unseres Films gezeigt. Die besten Stellen, wenn Sie so wollen. Wir haben Sie auch schon gefilmt, als Sie mit der reizenden Kate Hawthorne aus Ihrem Wagen gestiegen und ins Haus gegangen sind. Und wie Sie Ihre Maske aufgesetzt haben. Und dann wäre da noch das Material von Ihren Schlafzimmer-Eskapaden mit Lillith. Ohne Maske, wenn ich mich recht erinnere.»
Lonsdale schluckte. «Sie könnten dieses Material nie gegen mich verwenden, denn damit würden Sie auch sich selbst belasten.»
Stone aber lachte nur. «Das spielt für uns keine Rolle. Keiner von uns existiert offiziell, und niemand kann uns etwas anhaben, Jeremy, weil wir uns jederzeit in Luft auflösen können. Sie dagegen …» Er zuckte mit den Achseln. «Sie dagegen sind, wenn Sie mir die volkstümliche Ausdrucksweise verzeihen, im Arsch.»
Lonsdale wollte schon widersprechen, doch es hatte keinen Zweck. Man hatte ihn reingelegt. Die ganze Initiationszeremonie war einzig und allein zu dem Zweck veranstaltet worden, ihn in eine Falle zu locken. Stone hatte nie die Absicht gehabt, sein Versprechen einzulösen, ihm ewiges Leben und grenzenlose Macht zu schenken. Er war erledigt. Es gab tatsächlich keinen Ausweg. Deprimiert ließ er sich in den Sessel sinken.
«Ich finde Menschen absolut widerlich», sagte Stone leise, während er Lonsdale beobachtete. «Am abstoßendsten aber ist für mich dieses Politiker-Geschmeiß. Sie haben mich schwer enttäuscht, Jeremy. Ich hatte gehofft, Sie wären anders.»
«Behalten Sie das Geld», flüsterte Lonsdale. «Jeden einzelnen Penny. Das macht mir nichts aus. Aber lassen Sie mich mein Leben weiterführen, ich flehe Sie an.»
«Ihr Leben?» Stone lächelte. «Das gehört jetzt mir. Wann immer ich Sie brauche, stehen Sie mir zur Verfügung. Sie beschaffen mir, was ich will – jederzeit, ohne Fragen zu stellen und sofort. Und wenn Sie mich in irgendeiner Weise enttäuschen sollten, wird jeder Fernsehsender und jede Zeitung in ganz Europa eine Kopie des Films erhalten. Sollen die Leibeigenen, die für Sie gestimmt haben, ruhig die Wahrheit über ihren künftigen Anführer erfahren.» Er schnippte mit den Fingern. «Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen.»
Jeremy Lonsdale taumelte aus der Bibliothek in den mit Marmor ausgelegten Flur, kurz darauf war er raus aus dem Gebäude. Draußen sog er begierig die kalte Nachtluft ein. Erst als er wieder am Steuer seines Rolls-Royce saß und mit seinem Schlüssel am Zündschloss herumfummelte, wurde ihm so übel, dass er sich erbrach.
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Kapitel 22
Canary Wharf, London
21.29 Uhr
D anke, Rudi. Bis später.» Alex klappte ihr Handy zu. Der Nachtwind zerzauste ihr Haar, während sie am Balkongeländer ihrer Wohnung lehnte. Ein Mensch hätte in der Novemberkühle gefroren, doch sie liebte die frische Luft. Sie verharrte noch einen Augenblick und sah zu, wie die Lichter der Stadt sich im Fluss spiegelten. Die Traurigkeit, die schon den ganzen Tag über ihr geschwebt hatte, senkte sich nun ganz auf sie herab. Sie verließ den Balkon und ging barfuß durch die Schiebetür in ihr Wohnzimmer. Aus ihrer Stereoanlage erklang leise Klaviermusik von Philip Glass. Sie tapste über den exklusiven Teppich des modernen offenen Wohnbereichs und stieg die Wendeltreppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf.
Als sie am Bett vorbeikam, nahm ihre Traurigkeit noch zu. Am Fuß des Betts stand eine Truhe aus Eichenholz. Sie blieb stehen und kniete sich hin. Während sonst alles in ihrer Wohnung ultramodern war, sah man der Truhe ihr Alter deutlich an, hier und da waren Spalten im Holz mit Metallplatten geflickt. Alex besaß sie schon eine Ewigkeit, hatte sie aber lange nicht mehr geöffnet.
Sie löste den Verschluss ihrer Halskette und ließ den kleinen Schlüssel, der daran hing, in ihre Hand gleiten. Das Metall war genauso schwarz angelaufen wie die Beschläge der Truhe. Widerstandslos glitt er ins Schloss. Alex öffnete vorsichtig den Deckel und lehnte ihn ans Fußende des Betts. In der Truhe waren ihre Erinnerungen.
Der mit einem Diamanten und einem Saphir bestückte Verlobungsring glitzerte noch immer wie an dem Tag, als William ihn ihr gegeben hatte. Sie lächelte ihn traurig an, bevor sie das verschrammte und zerbeulte kleine Schächtelchen wieder schloss und auf den Boden der Truhe legte. Dann
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