Der Auftrag: Thriller (German Edition)
jemand auf sich aufpassen kann, dann Oliver.«
»Vielleicht braucht er unsere Hilfe.«
»Na schön, lass mir eine Minute Zeit.«
Als sie im Fahrstuhl nach unten fuhren, sagte Caleb: »Das war ein ziemlich aufregender Tag für mich.«
»Wieso?«
»Wir haben gerade einen F. Scott hereinbekommen. Und nicht irgendeinen F. Scott. Den F. Scott.«
»Was ist ein F. Scott?«, fragte Annabelle.
Caleb sah sie entsetzt an. »F. Scott Fitzgerald. Einer der bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller überhaupt. Mein Gott, Annabelle, wo bist du all die Jahre gewesen?«
»Jedenfalls nicht in der Nähe einer Bibliothek.«
»Das Buch ist Der große Gatsby , wohl seine beste Leistung und auf jeden Fall sein bekanntestes Werk. Und es ist nicht irgendein Großer Gatsby , von denen haben wir mehrere. Es ist eine Erstausgabe, in bestem Zustand, komplett mit dem sehr seltenen Schutzumschlag, den man heute kaum noch bekommt.«
Annabelle blickte ihn verständnislos an.
»Du weißt schon, das Cover mit den Frauenaugen mit dem eindringlichen Blick? Einer der berühmtesten Schutzumschläge der klassischen Literatur. Der Schutzumschlag war schon fertig, bevor Fitzgerald das Buch vollendet hatte. Er gefiel ihm so sehr, dass er eine Szene in den Roman hineinschrieb, die dieses Bild enthielt.«
»Sehr interessant«, sagte Annabelle höflich, doch ihr Tonfall zeugte kaum von Interesse. Sie hatte einmal zwei Tage mit Caleb in einem Van verbracht, in denen er sie fast ununterbrochen mit seinen literarischen Kenntnissen beglückt hatte. Sie hatte sich von diesem Anschlag nie richtig erholt.
Sie verließen den Fahrstuhl und gingen zum Eingang.
»Und das ist noch nicht das Beste daran«, fuhr Caleb fort. »Das Beste ist, dass es sich um Zeldas Ausgabe handelt. Die Herkunft steht eindeutig fest.«
»Wer ist Zelda?«
»Wer ist Zelda!«, wiederholte Caleb fassungslos. »Seine Frau natürlich. Scott und Zelda. Ein tragischeres Paar wird man kaum finden. Sie starb im Irrenhaus, und Fitzgerald trank sich zu Tode. Er hat ihr das Buch gewidmet. Was für ein Erfolg für die Bibliothek! Ein einzigartiges Exemplar. Wir sind sehr stolz darauf.«
»Völlig einzigartig?«
»Absolut einzigartig.«
»Wie viel habt ihr dafür bezahlt?«
Caleb schaute entsetzt drein. »Diese Zahl ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.«
»Komm schon, so ungefähr.«
»Eine nicht gerade niedrige sechsstellige Summe. Dabei muss ich es bewenden lassen«, sagte er ziemlich wichtigtuerisch.
Nun schaute Annabelle interessiert drein. »Meine Großmutter hat mir ihr persönliches Exemplar von Sturmhöhe hinterlassen. Ich frage mich, wie viel es wert ist. Es ist in ausgezeichnetem Zustand.«
»Emily Brontë? Erstausgaben in verlagsneuem Zustand von ihr sind selten. Woher hat sie das Buch?«
»Sie hat es vor acht Jahren in einer Buchhandlung gekauft. Ein Taschenbuch. Ist das ein Problem?«
Caleb warf ihr einen eisigen Blick zu. »Sehr witzig«, sagte er steif.
Draußen trafen sie sich mit Reuben und Harry Finn. Finn war eine um ein paar Jahrzehnte jüngere Version von Stone, schlank und tödlich. Seine Bewegungen waren schnell und effizient, als würde er sich seine Energien für den Fall einer Krise aufsparen, um dann zu explodieren. Reuben hatte sich umgezogen. Er trug nicht mehr die Arbeitskleidung von den Docks, sondern Jeans, Sweatshirt und Mokassins.
Sie setzten sich auf die breiten Treppenstufen, die hinauf zur Bibliothek führten.
»Was werden wir tun?«, fragte Annabelle.
»Was können wir tun?«, fragte Reuben.
»Oliver hat möglicherweise Ärger«, erwiderte sie.
»Oliver hat oft Ärger«, antwortete Caleb.
»Die Männer, die ihn aus dem Krankenhaus abgeholt haben …«, begann Annabelle.
»Sie waren vom NIC«, warf Finn ein. »Riley Weavers Jungs. Hab’s von einem Kumpel von mir gehört. Sie sollten ihn abholen und wieder zurückbringen. Ich bezweifle, dass Oliver ihnen gesagt hat, was sie wissen wollten.«
»Dann hat er Probleme«, sagte Annabelle. »Und wir müssen ihm helfen.«
»Warum warten wir nicht, bis er um Hilfe bittet?«, fragte Caleb.
»Wieso?«, fauchte Annabelle.
»Weil ich jedes Mal, wenn ich ihm helfe, Ärger bekomme.« Er blickte auf das riesige Bibliotheksgebäude. »Ich stehe hier sozusagen unter Bewährung, eine schreckliche Situation für jemanden in meinem Alter und mit meiner Erfahrung.«
»Niemand bittet dich, deinen Job aufs Spiel zu setzen, Caleb. Aber ich habe etwas herausgefunden. Eigentlich wollte ich mich
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