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Der Auftrag

Der Auftrag

Titel: Der Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William C. Dietz
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Ende stand ein Würfel, der aussah, als bestünde er aus massivem Felsgestein. Er befand sich fast unmittelbar unter Gavins Stiefeln. Fast sechstausend in Khaki gekleidete Männer und Frauen waren davor angetreten. Sie standen stramm, die Augen geradeaus, ihre Käppis schimmerten in der Sonne.
    Hier und dort waren Wachen zu sehen, die mit ihren grell orangefarbenen Exoskeletten über den Legionären aufragten und sich nach irgendwelchen Anzeichen von Auflehnung umsahen.
    In der vor Hitze flirrenden Luft blickten Anstaltspersonal und Gefangene nach oben, sahen, wie der Kommandant erschien, und warteten auf das Signal. Eine Minute verstrich. Eine weitere schloss sich ihr an. Die Hitze stieg in Wellen vom Asphalt auf. Gavin schien zu einem Schemen zu werden, zu verschwinden und wieder zurückzukommen.
    Schließlich sahen sie es, die Andeutung eines Nickens, das einen Corporal zur Tür heraustreten und Gavin ein Glas eisgekühlte Limonade reichen ließ. Er hob es, als wolle er einen Trinkspruch ausbringen, zeigte es ihnen so lange, bis ihre Kehlen schmerzten, und nahm dann ganz langsam einen Schluck.
    Gavin war ein hoch gewachsener Mann mit einem langen, dürren Hals, und sein Adamsapfel schien eine Ewigkeit auf und ab zu tanzen. Dann, als er das Glas zu etwa einem Drittel geleert hatte, hielt er es hoch, gab ihnen Gelegenheit, sich auszumalen, wie gut die Limonade ihren ausgedörrten Kehlen tun würde, und kippte dann den Rest über das Geländer. Die Flüssigkeit zischte, als sie unten aufs Pflaster traf.
    Dieses Ritual vollzog Gavin jeden Tag, und Mosby wusste nicht, was schlimmer war - der Akt selbst oder wie vorhersehbar er geworden war.
    Die Hitze, die kärgliche Ernährung und harte, körperliche Arbeit hatten bewirkt, dass sie sieben Kilo abgenommen hatte. Sie spürte den Unterschied und genoss ihn. Gavin machte sie hart, bereitete sie auf den Konflikt vor, der kommen würde, legte die Saat seiner eigenen Vernichtung. Denn Mosby wartete, wartete darauf, dass ihre Soldaten den Höhepunkt körperlicher Fitness erreichten, und dann, ehe das lange Abgleiten in den Stumpfsinn anfing, würde sie zuschlagen.
    Hunderte, vielleicht tausende ihrer Soldaten würden sterben, aber das Gefängnis würde fallen. Und dann würden sie mit Fahrzeugen der Haftanstalt Kurs auf den nächsten Raumhafen nehmen, ein Schiff kapern und Kurs auf Algeron setzen.
    Es war ein Plan der Verzweiflung, ein Plan des Wahnsinns, aber besser als gar kein Plan. Besser, als einen sinnlosen Tod zu sterben, aufzugeben oder nachzugeben.
    Mosby vollzog eine zackige Kehrtwendung. Der Schweiß rann ihr in Bächen über das Gesicht, den Hals und die Arme. Sie ignorierte ihn. Sie standen vor ihr, eine Reihe hinter der anderen, Männer und Frauen mit Gesichtern aus Stein. Sie wussten, was ihnen heute bevorstand. Es ging hier um Überleben, aber mehr als das, es ging um ihren Stolz, denn Gavin wollte sie zerbrechen, und den Gefallen würden sie ihm nicht tun.
    »ACH-tunnnggg!«
    Sechstausend Männer und Frauen nahmen mit einem
    Ruck Haltung an. Mosby ließ den Blick über ihre Leute wandern. Sie sah keine Cyborgs. Da sie selbst entwaffnet gefährlich waren, hatte man ihre Gehirnbehälter herausgezogen, sie in Regalen gestapelt und in computergesteuerte Lebenserhaltungssysteme eingestöpselt. Sie hatten keine Musik, keine Neurospiele und keinerlei Verbindung miteinander. Das war eine Bestrafung, die viel schlimmer war als die, die Bios erleiden mussten. Mosby zwang sich dazu, sich auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren.
    »Ihr wisst Bescheid. Unsere Aufgabe ist es, die >Mauer zu marschieren«. Eine kombinierte Truppe aus Wischern, Schlammwühlern und anderem Gesindel hat sie gestern fünf Meilen weit bewegt. Wir werden sie sechs Meilen weit bewegen. Vive la Legion!«
    »Vive la Legion!«
    Das Brüllen aus sechstausend Kehlen ließ Gavins Fensterscheiben beben. Er blickte von seinem Computermonitor auf, runzelte die Stirn und nahm sich vor, die Verpflegung der Legionäre um weitere fünfundzwanzig Kalorien pro Tag zu reduzieren.
    Früher war das einmal eine schlampige, schlecht organisierte Aktion gewesen, vergleichbar dem, was Zivilisten vielleicht unter ähnlichen Umständen geleistet hätten, aber Mosbys Offiziere und Unteroffiziere hatten daraus einen effizienten, gut organisierten Prozess gemacht, mit dem Tonnen von Felsgestein von einem Ende des Exerzierplatzes zum anderen geschafft wurden, und das mit einem Minimum an Konfusion und

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