Der Auftrag
hören konnte.
Chien-Chu hatte keine Ahnung, wie der Majordomus es schaffte, alle Namen und Titel korrekt wiederzugeben, vermutete aber, dass irgendwelche elektronische Zauberei im Spiel war.
Der Ballsaal war gewaltig, groß genug, um tausend Leute aufzunehmen, und sechs- oder siebenhundert davon waren bereits eingetroffen. Ihre Gespräche, ihr Gelächter und ihre Bewegungen übertönten beinahe die Musik der zehnköpfigen Kapelle.
Eigentlich war der Saal luftig und hell, aber für diesen Anlass hatte man ihn in eine Art Höhle verwandelt. Lichtsäulen tasteten nach oben und explodierten über die Decke. Vielfarbige Laserstrahlen zuckten durch den Raum und teilten ihn in tausend geometrische Gebilde. Leute erschienen plötzlich, wenn unter ihnen der Boden punktförmig aufleuchtete. Ihre grellbunten Kostüme und ihr teurer Schmuck funkelten im reflektierten Licht. Einige trugen Anzüge und Kleider, die mit Stardust geschmückt waren, jener märchenhaft teuren Substanz, die man nur aus der Korona eines ganz bestimmten braunen Zwergsterns gewinnen konnte und an der Chien-Chu Enterprises in hohem Maße interessiert war.
Die meisten Gäste hatten der Ankündigung keine beson-dere Bedeutung beigemessen, aber Chien-Chu wusste, dass wenigstens fünfzig oder sechzig aufgepasst hatten und zu ihm unterwegs waren. Jeder von ihnen wollte etwas. Eine Gefälligkeit, einen Deal, Zusicherungen, Informationen oder Variationen all dieser Themen. Das war es schließlich, was vernünftige Leute bei solchen Veranstaltungen taten. Die Drogen, den Sex und simulierte Gewalt überließ man jenen, die wenig oder gar keine Selbstachtung besaßen, eine Gruppe freilich, die in letzter Zeit nachhaltig überrepräsentiert war.
Die drei schritten zusammen die Treppe hinunter, versicherten sich, später noch einmal zusammenzukommen, und trennten sich.
Wohl wissend, dass verschiedene Kollegen, Kunden und Lieferanten zu ihm unterwegs waren, bemühte sich Chien-Chu, ihnen zunächst aus dem Wege zu gehen. Ein Neuankömmling war an diesem Abend zugegen, ein Individuum, das über genügend Macht verfügte, um Einfluss auf den Imperator auszuüben, und deshalb jemand, den man kennen lernen musste.
Solche Bekanntschaften und Beziehungen waren für das Wohl von Chien-Chu Enterprises notwendig - und auch, um das etwas brüchige Bündnis zu stärken und fortzuführen, das sich bemühte, einen Ausgleich für die weniger rationalen Augenblicke des Imperators zu schaffen. Augenblicke, die es in letzter Zeit immer häufiger gab.
Ständig »Hallo«, »Entschuldigung«, »Bitte« oder »Wie geht es Ihnen« murmelnd, arbeitete sich der Handelsherr über das Parkett. Eine Wolke aus teurem Parfüm und Weihrauch erfüllte die Luft. Sein Ziel war eine Gruppe von
Menschen, die sich, wie es schien, um die größte der vier Bars des Ballsaals versammelte.
Die Männer und Frauen der Imperialen Streitkräfte hielten sich dort auf, heute zwar in Zivil, aber dennoch erkennbar durch Haltung, Jargon und die Tendenz, Stammesgruppen zu bilden.
Da war die Navy, bekannt für ihr lautes, großspuriges Auftreten, die Marines, nicht sehr fantasievoll in einer Vielzahl antiker Uniformen, und die Legion, meist Rücken an Rücken stehend, als würde sie von den anderen Waffengattungen belagert.
Aber dies waren überwiegend Funktionäre, rangniedere Generale, Admirale, Captains und Colonels, stets bemüht, sichtbar zu sein und für andere Hof haltend.
Ihre Vorgesetzten, die Gruppe, für die Chien-Chu sich in erster Linie interessierte, bestand nur aus Gleichgestellten: Männer und Frauen, die begriffen hatten, wie es war, den Launen des Imperators ausgesetzt zu sein und sich zugleich mit knappen Budgets und korrupten Bürokraten auseinander setzen zu müssen. Auf sie strebte er zu, überzeugt, dass er Legionsgeneral Marianne Mosby, wenn sie überhaupt ausfindig zu machen war, hier inmitten ihresgleichen finden würde. Und er sollte nicht enttäuscht werden. Die Creme de la Creme des Militärs war unter sich, geschützt von einer Art Burggraben aus Parkett, das wie ein Wunder frei geblieben war, und nur sich selbst zugewandt.
Admiral Paula Scolari, die die Leitung aller Operationen der imperialen Navy unter sich hatte, war eine große, hager wirkende, kantige Frau in einer mittelalterlichen Rüstung. Ihre Kostümwahl erschien Chien-Chu höchst passend für jemanden, der in ständiger Angst vor dem Imperator, dem Hof und, wie er argwöhnte, der eigenen Person lebte.
General Otis
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