Der Auftrag
sich keine einstellen, und so schüttelte er bloß den Kopf.
»Gut, dann gehen wir.«
Perez wartete, bis die ersten beiden Wachen hinausgegangen waren und der Mann mit dem Knüppel ihm zunickte, dann folgte er ihnen.
Der Korridor war hell erleuchtet und roch nach Industriereiniger. Der Boden unter seinen nackten Füßen fühlte sich kalt an. Perez war sich schmerzhaft seiner Nacktheit und seiner totalen Verwundbarkeit bewusst.
Pfiffe, Witzeleien und obszöne Bemerkungen von Männern und Frauen, die er nie gesehen hatte und auch nie sehen würde, waren zu hören.
»Wiedersehen in der Hölle, Perez!«
»Mach’s gut, Arschloch.«
»Schlaf schön, Scheißkerl.«
So ging das weiter, bis sie den Kontrollpunkt erreichten. Die Wachen blieben stehen, einer der Männer legte beide Handflächen auf eine Lesefläche, und die Türen schoben sich auseinander.
Die beiden ersten Wachen gingen durch die Tür, dann Perez und dann die beiden anderen. Wieder ein Korridor, diesmal kürzer, dann ein zweiter Kontrollpunkt. Diesmal waren zwei Abdrücke erforderlich, einer von einer der
Wachen und einer von Perez. Die Substanz in dem Lesegerät sah aus wie graue Modelliermasse. Er legte die Hände dagegen und sah eine Wache fragend an, worauf der Mann zustimmend nickte.
»Das ist zu Ihrem eigenen Schutz, Perez. Wir wollen euch Freaks doch nicht in der falschen Reihenfolge kaltmachen.«
Perez nahm die Hände vom Lesegerät, worauf die Türen sich auseinander schoben. »Das ist äußerst aufmerksam.«
»Yeah«, nickte der Wachmann. »Wer sagt’s denn?«
Perez sah, dass alle vier Wärter sich zwischen ihm und dem Korridor postiert hatten. Das war er also, der berüchtigte Todesraum, wo die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen würde. Eine Gerechtigkeit, die geradewegs aus dem Alten Testament stammte. Auge um Auge, Zahn um Zahn, Kugel für Kugel.
Perez spürte ein Rumoren in den Gedärmen, und seine Knie begannen zu zittern.
»Brauchen Sie Hilfe?« Die Stimme klang barsch, aber mitfühlend.
Perez schüttelte den Kopf, drehte sich um und zwang sich, durch die Tür zu treten. Der Raum sah genauso aus wie im Fernsehen, nur größer. Und warum auch nicht? Lifeausstrahlungen von Hinrichtungen waren normaler Bestandteil der Nachrichten. Er hatte eine ganze Menge gesehen. So viele, dass sie ihm überhaupt nichts bedeuteten. Bis jetzt jedenfalls nicht.
»Zeig ihnen, wie der Tod aussieht, dann tun sie es nicht.«
Das war Theorie … aber den langen Warteschlangen in den Todeszellen nach zu schließen, waren die Dinge allem
Anschein nach doch ein wenig komplizierter.
Perez war da ein typischer Fall. Er hatte nicht geplant, Cissy Conners zu ermorden. Er hatte bloß seine Waffe auf sie gerichtet, Geld aus der Kasse verlangt und geschossen, als ihre Hände unter die Theke wanderten. Genauso wie in den Videoserien, wo das Blut herausspritzte und der Schauspieler weiterlebte, um am Tag darauf in einer anderen Serie aufzutreten. Bloß dass diese Kugel echt und die Frau tot war.
Der Wärter war höflich. »Hierher, bitte.«
Perez tat, was man ihn geheißen hatte. Er trat an das verchromte Gitter und wartete, während man ihm Arme und Beine an das kalte Metall schnallte. Es hatte die Form eines riesigen »X« und stand genau in der Mitte des würfelförmigen Raums.
Perez sah sich um. Wände, Decke und Boden waren aus glattem, fugenlosem, rostfreiem Stahl, den man leicht reinigen konnte. Dunkle Schatten huschten über die spiegelnden Flächen, wenn die Wärter sich bewegten.
Perez spürte eine Unebenheit unter den Füßen und sah nach unten, weil er wissen wollte, was das war. Sein Penis war fast in seinem Unterleib verschwunden, und darunter konnte er sehen, dass seine Füße auf einem verchromten Abfluss standen. Einem Abfluss, der eine Menge Wasser aufnehmen konnte oder Wasser, in das sich Blut mischte, oder.
Perez blickte nach oben, sah sich um. Jetzt nahm er die Schläuche wahr, die an allen vier Wänden hingen, die Düsen, die Desinfektionsflüssigkeit in den Raum sprühen würden, und die Fernsehkameras an den Wänden, die seinen Tod aufzeichnen würden. Er hätte ihnen gerne den
Mittelfinger gezeigt, aber dafür war es zu spät. Die Gurte hielten seine Arme und Beine in einer starren Umarmung.
Eine Stimme füllte den Raum. Sie klang ernst und feierlich, zugleich aber auch ein wenig gelangweilt.
»Angel Perez, Sie haben die Frau namens Cissy Conners getötet. Da man Sie des besagten Mordes schuldig befunden hat, werden Sie jetzt
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