Der Auftrag
Worthington, Kommandant des Marine Korps, stand rechts von ihr, mit nicht viel mehr als einem Unterleibschutz, hoch geschnürten Stiefeln und einem Degen bekleidet. Sein mit großer Sorgfalt gepflegter Körper schien nur aus Muskeln und aufgestauter Kraft zu bestehen. Er war von schwarzer Hautfarbe, hatte leuchtende, durchdringend blickende Augen und wirkte stets gut gelaunt. Worthington, ein ausgezeichneter, wohl meinender Offizier, hasste die Politik und überließ Scolari mehr Befugnisse, als Chien-Chu für gut hielt.
Zur Linken des Admirals stand die Frau, die Chien-Chu suchte. Im Gegensatz zu ihren Kollegen hatte General Marianne Mosby die Maske eines bekannten Holostars gewählt, wobei die Ähnlichkeit geradezu verblüffend war.
Sie hatte langes, braunes Haar, von dem der Handelsherr annahm, dass es Teil ihrer Kostümierung war, ein herzförmiges Gesicht und volle, sinnliche Lippen. Und ähnlich dem Star, in dessen Rolle sie geschlüpft war, war Mosby ein wenig übergewichtig, so als neige sie dazu, immer das zu nehmen, was ihr zustand - und ein wenig mehr.
Aber die zusätzlichen Kilos, die Mosby sich gestattete, befanden sich alle an den richtigen Plätzen. Das Mieder ihres Abendkleids war tief ausgeschnitten, so tief, dass ihre mit Rouge geschminkten Brustwarzen sich bei jeder Bewegung herausschoben und sämtliche Männer im Umkreis von zwanzig Metern dazu brachten, sie mit den Augen zu verschlingen. Verglichen mit der Kleidung vieler im Saal war Mosbys Kostüm eher konservativ, aber nach militäri-schen Begriffen geradezu unerhört, wie man Scolaris unverhohlen finsteren Blicken entnehmen konnte.
Chien-Chu setzte sein einnehmendstes Lächeln auf und überschritt die unsichtbare Barriere. Man musste schreien, um sich im herrschenden Lärm Gehör zu verschaffen.
»Admiral Scolari, General Worthington, welche Freude, Sie hier zu sehen.«
Scolari blickte finster und nickte Chien-Chu zu, eine Bewegung, die höchstens einen halben Zentimeter ausmachte.
»Ganz meinerseits, Sergi. Kennen Sie General Mosby? Der General hat das Kommando über die Legionsstreitkräfte auf der Erde übernommen.«
Mosby streckte ihm die Hand hin, aber Chien-Chu schüttelte sie nicht, sondern führte sie an die Lippen.
»Mein Name ist Sergi Chien-Chu. Ich hatte keine Ahnung, dass ein General so schön sein kann. Die Gelegenheit, so jemanden zu küssen, und wäre es auch nur die Hand, ist zu verlockend, als dass ich sie mir entgehen lassen dürfte.«
»Sergi versteht sich darauf, mit Worten umzugehen«, sagte Scolari trocken. »Er ist der Inhaber von Chien-Chu Enterprises . und einer der vertrautesten Ratgeber des Imperators.«
Mosby lächelte und unterzog Chien-Chu derselben blitzschnellen Bewertung, die sie bei Rekruten anwandte. Sie sah einen relativ kleinwüchsigen Mann, einen Meter zweiundsiebzig groß, vielleicht fünfundsiebzig Jahre alt, mit wenigstens zehn Kilo Übergewicht. Seine Züge wirkten eurasisch, was auf recht interessante Weise mit seinen durchdringend blauen Augen und seinem olivfarbenen Teint kontrastierte. Er strahlte Zuversicht aus, so wie die Sonne Wärme ausstrahlt. Und im Gegensatz zu den meisten Männern hatte Chien-Chu ihr in die Augen gesehen, anstatt auf ihre Brüste zu starren. Jemand, den sie ernst nehmen durfte, entschied sie, jemand, der ihre Aufmerksamkeit verdiente.
»Ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Chien-Chu. Ihre Firma kenne ich. Eine der wenigen, die Zusagen macht und sie auch einhält.«
Chien-Chu verbeugte sich leicht. »Die Ehre ist ganz auf meiner Seite … und vielen Dank … Unsere Geschäfte mit der Legion haben für uns große Bedeutung.«
Mosby reichte ihm den Arm. »Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe Hunger. Was halten Sie von einer kleinen Erfrischung?«
»Eigentlich sollte ich nein sagen«, erwiderte Chien-Chu vergnügt, »aber trotzdem.« Er nahm ihren Arm. »Wenn Sie beide uns bitte entschuldigen würden?«
Scolari nickte kaum wahrnehmbar, und Worthington grinste breit. »Saubere Arbeit, Sergi. Macht sich an die schönste Frau im Saal heran, stiehlt sie mir vor der Nase weg und verdrückt sich.«
Chien-Chu lächelte und zuckte die Achseln. »Einige von uns haben es einfach … und einige nicht. General Mosby?«
Mosby nickte den beiden anderen hohen Offizieren zu und ließ sich durch den Saal führen. Dies war erst ihr zweiter Besuch im Kaiserpalast - der Anlass für den ersten war eine kurze Zeremonie gewesen -, und das Geschehen
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