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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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anderen Seite nicht. Jacqueline soll nach Paris fliegen und in ein anderes Flugzeug steigen, von dem wir nicht einmal wissen, wohin es fliegt. Das heißt, daß wir von Spielbeginn an hinter ihnen herhecheln werden.«
    »Wohin der Flug geht, wissen wir, sobald die beiden zum Flugsteig gehen, und wir beschatten sie, sobald sie aussteigen. Wir lassen Jacqueline keine Minute aus den Augen.«
    »Und dann?«
    »Sobald sich die Gelegenheit bietet, liquidieren Sie Tariq - und das war's dann.«
    »Lassen Sie ihn hier im Flughafen verhaften.«
    Der Alte schob seine Unterlippe vor und schüttelte den Kopf.
    »Warum nicht?« fragte Gabriel.
    Schamron hielt einen dicken Zeigefinger hoch. »Erstens müßten wir dafür die Unterstützung der Franzosen anfordern, was ich unter keinen Umständen tun möchte. Zweitens ist es bisher noch niemandem gelungen, genügend Beweise gegen Tariq zusammenzutragen, die für eine Verurteilung ausreichen würden. Drittens würden die Franzosen und unsere Freunde in Langley sofort fragen, woher wir diese Informationen haben, wenn wir ihnen mitteilen, daß wir wissen, wo Tariq an einem bestimmten Tag sein wird. Dann müßten wir auch unseren Kollegen in London beichten, daß wir auf englischem Boden operiert und leider versäumt haben, ihnen das mitzuteilen. Daß sie verärgert reagieren würden, versteht sich von selbst. Und schließlich wollen wir auf keinen Fall, daß Tariq als Symbolfigur für alle, die den Friedensprozeß torpedieren, hinter Gittern sitzt. Mir war's lieber, wenn er unauffällig verschwinden würde.«
    »Und wenn wir ihn entführen?«
    »Glauben Sie wirklich, wir könnten Tariq in einem belebten Terminal auf dem Pariser Flughafen entführen? Natürlich nicht. Nein, wenn wir Tariq wollen, müssen wir ein paar Stunden nach seinen Regeln spielen.«
    Schamron zündete sich eine Zigarette an und wedelte energisch mit dem Streichholz, um die Flamme zu löschen. »Die Entscheidung liegt bei Ihnen, Gabriel. Ein Unternehmen dieser Art muß vom Premierminister persönlich genehmigt werden. Er sitzt jetzt in seinem Büro und wartet auf unsere Mitteilung. Was soll ich ihm sagen?«

3 2 St. James's, Londo n
    Der Nachmittag zwischen drei und vier, zu diesem Schluß war Julian Isherwood gelangt, war der grausamste Teil des Tages. Woran lag das? An der Ermattung nach einem guten Lunch? Dem frühen Einsetzen der Dämmerung im Londoner Winter? Dem schläfrigen Rhythmus des an das Fenster klatschenden Regens? Diese zweite Tageshälfte war zu Isherwoods persönlichem Fegefeuer geworden: ein herzloser Zeitabschnitt, eingekeilt zwischen der sentimentalen Hoffnung, die er jeden Morgen empfand, wenn er die Galerie betrat, und der kalten Realität des Niedergangs, die er jeden Abend spürte, wenn er nach South Kensington heimfuhr. Drei Uhr nachmittags, die Stunde des Todes: zu früh, um zu schließen das wäre ihm wie eine völlige Kapitulation erschienen -, allzu viele Stunden, die sich nicht mit sinnvoller Arbeit füllen ließen.
    Also saß er an seinem Schreibtisch; seine Linke umfaßte die tröstliche Form eines Bechers mit heißem Tee, während seine Rechte mißmutig in einem Stapel Papiere blätterte: Rechnungen, die er nicht bezahlen, und Mitteilungen über auf den Markt kommende gute Gemälde, die er nicht kaufen konnte.
    Er hob den Kopf und warf einen Blick durch die offene Tür ins Vorzimmer - auf das Wesen, das dort an dem kleinen Schreibtisch saß, der zu einer Rektorin gepaßt hätte. Eine auffallende Erscheinung, diese schwarzgelockte junge Frau, die sich Dominique nannte, ein wahrhaftes Kunstwerk. Zum mindesten hatte sie den Alltag in der Galerie interessanter gemacht, wer sie auch sein mochte.
    Früher hatte er darauf bestanden, die Tür zwischen seinem Büro und dem Vorzimmer stets geschlossen zu halten. Er hatte sich gern eingeredet, als wichtiger Mann - jemand, der mit wichtigen Leuten wichtige Gespräche führte - brauche er eine Barriere zwischen sich und seiner Sekretärin. Jetzt merkte er, daß er es vorzog, sie offenzulassen. Oh, wäre er doch zwanzig Jahre jünger, auf dem Zenit seiner Leistungsfähigkeit gewesen! Damals hätte er sie haben können. Damals hatte er viele gehabt, Mädchen wie sie. Das hatte nicht nur am Geld, an der Villa in Saint-Tropez oder der Jacht gelegen. Es hatte an der Kunst gelegen. Gemälde waren ein besseres Aphrodisiakum als Kokain.
    In seiner reichlich bemessenen Freizeit hatte Isherwood alle möglichen phantastischen Mutmaßungen über sie

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