Der Auftraggeber
angestellt. Ob sie wirklich eine Französin oder nur eine dieser Israelinnen war, die in fast jede Rolle schlüpfen konnten. Ihm war aufgefallen, daß er sie leicht einschüchternd fand, was es ganz unmöglich machte, sich den körperlichen Liebesakt mit ihr auch nur vorzustellen. Oder liegt das nur an mir? dachte er. Kommen wir so mit dem altersbedingten Verfall zurecht? Mit dem Nachlassen unserer Kräfte? Dem Schwinden unserer Fähigkeiten? Erlöst der Verstand uns gnädigerweise vom Begehren, damit wir in Würde der jüngeren Generation Platz machen können, statt uns wegen Frauen wie Dominique Bonard unsäglich zu blamieren?
Aber als Isherwood sie jetzt beobachtete, wußte er, daß etwas nicht in Ordnung war. Sie war schon den ganzen Tag nervös. Sie hatte sich geweigert, die Galerie zu verlassen. Er hatte sie zum Lunch ins Wilton's eingeladen ganz harmlos, versteht sich, ohne irgendwelche Hintergedanken -, aber sie hatte dankend abgelehnt und sich aus dem Pub ein Sandwich heraufbringen lassen. Vielleicht hing das mit dem jungen Araber zusammen, der neulich hier aufgekreuzt war - Jusef, so hatte sie ihn genannt. Oder vielleicht war Gabriel daran schuld. Eines wußte Isherwood ganz bestimmt: Tat Gabriel ihr jemals weh, wie er diesem kleinen Jungen in Cornwall wehgetan hatte - Gott, wie hieß er gleich wieder? Pearl? Puck? Nein, Peel! -, dann… Leider konnte er Gabriel nicht viel mehr anhaben, als ihm das nie zu verzeihen.
Auf dem Mason's Yard hupte ein Auto zweimal kurz. Isherwood stand auf und trat ans Fenster. Unten stand ein Lieferwagen vor dem geschlossenen Rolltor der Ladebucht.
Komisch, aber heute sollte gar keine Lieferung kommen. Der Fahrer hupte erneut - diesmal lange und laut. Herrgott noch mal! dachte Isherwood. Wer zum Teufel bist du? Und was willst du?
Dann starrte er mit zusammengekniffenen Augen durch die Windschutzscheibe. Wegen des Blickwinkels konnte er das Gesicht des Fahrers nicht erkennen, er sah nur zwei Hände, die das Steuer umfaßten. Dieses Händepaar hätte er überall wiedererkannt. Die talentiertesten Hände in der Branche.
Sie fuhren mit dem Lift in die obere Galerie hinauf, Jacqueline wie eine Gefangene zwischen den beiden Männern, Gabriel links neben ihr, Schamron rechts neben ihr. Sie versuchte Blickkontakt zu Gabriel aufzunehmen, aber er sah angelegentlich geradeaus. Als die Tür aufging, führte Schamron sie zu dem weinroten Sofa, als bringe er eine Zeugin in den Zeugenstand. Sie saß mit übergeschlagenen Beinen da, stützte ihre Ellbogen auf die Knie und ihr Kinn in die Hände. Gabriel stand hinter ihr. Schamron ging auf und ab wie ein potentieller Käufer, den die angebotene Ware nicht beeindruckt.
Er sprach 20 Minuten ohne Pause. Während Jacqueline ihn beobachtete, erinnerte sie sich an den Abend, an dem er sie für den Dienst angeworben hatte. Sie empfand dieselbe Entschlossenheit, dasselbe Pflichtbewußtsein wie an jenem Abend. Schamrons stämmiger kleiner Körper strahlte so viel Kraft aus, daß ihre Ängste dahinzuschmelzen schienen. Auf den ersten Blick war sein Ansinnen empörend - sie sollte den gefährlichsten Terroristen der Welt bei einem Einsatz begleiten , aber sie war imstande, seine Ausführungen zu bewerten, ohne durch lästige Angstgefühle behindert zu werden.
Schamron hat keine Angst, dachte Jacqueline, deshalb habe ich keine Angst. Sie mußte sich eingestehen, daß allein die Idee sie faszinierte. Man stelle sich vor: ein Mädchen aus Marseille, dessen Großeltern im Holocaust ermordet worden waren, trug mit dazu bei, Tariq al-Hourani zu beseitigen und die Sicherheit Israels zu erhalten. Das wäre der vollkommene Abschluß ihrer Laufbahn im Dienst die Erfüllung all ihrer Wünsche, derentwegen sie sich ursprünglich hatte anwerben lassen. Und es würde Gabriel beweisen, daß auch sie tapfer sein konnte.
»Es ist Ihr gutes Recht, nein zu sagen«, sagte Schamron. »Sie haben sich zu einem völlig anderen Einsatz verpflichtet - zu einem viel kürzeren und viel weniger gefährlichen Unternehmen. Aber die Lage hat sich geändert. Das kommt im Einsatz manchmal vor.«
Er ging nicht mehr auf und ab, sondern blieb direkt vor ihr stehen. »Aber eines kann ich Ihnen versichern, Jacqueline: Ihre Sicherheit ist unser oberstes Anliegen. Sie sind niemals allein. Wir begleiten Sie an Bord des Flugzeugs und erwarten Sie, wenn Sie es wieder verlassen.
Wir sind immer in Ihrer Nähe, wohin Sie auch gehen. Und sobald sich die Gelegenheit bietet, greifen wir ein und
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