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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Gabriel drehte sich um, überquerte die Straße und nahm seinen Blick nur lange genug von Tariqs Gesicht, um sich zu vergewissern, daß er nicht etwa vors nächste Auto lief. Trotz der Kälte war seine Hand mit der Pistole schweißnaß. Er hörte nur seinen rasselnden Atem und das Rauschen seines Bluts im Innenohr. Jacqueline sah auf. Ihre Blicke begegneten sich für Bruchteile einer Sekunde; dann sah sie rasch weg. Tariq faßte sie am Ellbogen.
    Als Gabriel die Beretta aus der Tasche zog, raste ein Wagen mit quietschenden Reifen um die nächste Straßenecke. Ihm blieb nichts anderes übrig, als hastig einige Schritte zurückzuweichen. Als das Auto hielt, war Gabriel auf der linken Seite und Tariq mit Jacqueline auf der rechten.
    Die hintere Tür auf Tariqs Seite wurde aufgestoßen. Tariq zwang Jacqueline, vor ihm einzusteigen. Die Umhängetasche rutschte ihr von der Schulter und fiel auf den Asphalt. Tariq grinste Gabriel höhnisch an, duckte sich und stieg neben Jacqueline ein.
    Der Wagen raste davon. Gabriel überquerte die Straße und hob Jacquelines Handtasche auf. Dann ging er zu dem Italiener zurück, um Deborah abzuholen. Sie gingen nebeneinander die Rue St. Denis hinauf. Gabriel öffnete Jacquelines Tasche und warf einen Blick hinein. Sie enthielt ihre Geldbörse, ihren Reisepaß, ein Schminktäschchen und das goldene Feuerzeug, das Schamron ihr gegeben hatte.
    »Sie hätten schießen müssen, Gabriel!« »Ich konnte nicht schießen!« »Sie hätten übers Autodach hinweg schießen können!« »Bockmist!« »Sie hätten schießen können, aber Sie haben gezögert!« »Ich habe gezögert, denn hätte die Kugel übers Autodach
    hinweg ihn verfehlt, wäre sie ins Restaurant auf der anderen Straßenseite gegangen - und dann hätte es vielleicht einen toten Unbeteiligten gegeben.«
    »Früher haben Sie nie gedacht, Sie könnten Ihr Ziel verfehlen.«
    Der Van fuhr mit quietschenden Reifen an. Gabriel hockte auf dem Teppichboden des Laderaums; Deborah saß ihm gegenüber, die Knie bis unters Kinn hochgezogen, und beobachtete ihn aufmerksam. Er schloß die Augen und versuchte, einen Moment ruhig nachzudenken. Der Anschlag hatte mit einem völligen Desaster geendet. Tariq hatte Jacqueline entführt. Sie hatte keinen Reisepaß, keine Papiere und vor allem keinen Peilsender mehr. Bisher waren sie Tariq gegenüber in einem wesentlichen Punkt im Vorteil gewesen: Sie hatten immer gewußt, wo er war. Jetzt hatte dieser Vorteil sich in Luft aufgelöst.
    Er ließ die Ereignisse wie einen Film vor sich ablaufen. Tariq und Jacqueline, die das Restaurant verließen. Der Wagen, der plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte. Tariq, der Jacqueline auf den Rücksitz stieß. Tariq, der ihn übers Wagendach hinweg höhnisch angrinste.
    Gabriel glaubte wieder zu sehen, wie Tariqs geisterhafte  Erscheinung ihn mit einer Van-Dyck-Hand zu sich heranwinkte. Er hat's von Anfang an gewußt, sagte Gabriel sich. Er hat gewußt, daß ich ihm in der Rue St. Denis auflauern würde. Er hat mich dorthin gelockt.
    Schamron machte ihm wieder Vorwürfe. »Sie waren vor allem für Jacqueline verantwortlich. Nicht für jemanden in einem Restaurant hinter ihr. Sie hätten ohne Rücksicht auf die Konsequenzen schießen müssen!«
    »Selbst wenn ich ihn getroffen hätte, wäre Jacqueline jetzt fort. Sie war im Auto, der Motor lief. Sie sollte entführt werden, und ich konnte es nicht verhindern.«
    »Sie hätten aufs Auto schießen müssen. Vielleicht hätten wir sie auf der Straße anhalten können.«
    »Hätten Sie das gewollt? Eine wilde Schießerei mitten in Montreal? Das wäre ein weiteres Lillehammer geworden. Ein weiteres Amman. Ein weiteres Desaster für den Dienst.«
    Schamron drehte sich um, funkelte Gabriel an und starrte wieder nach vorn.
    »Was nun, Ari?« fragte Gabriel.
    »Wir finden sie.«
    »Wie?«
    »Ich kann mir denken, wohin sie wollen.«
    »Wir können Tariq in den Staaten unmöglich allein aufspüren.«
    »Was schlagen Sie vor, Gabriel?«
    »Wir müssen die Amerikaner warnen, daß er wahrscheinlich zu ihnen unterwegs ist. Die Kanadier müssen wir auch alarmieren. Vielleicht können sie verhindern, daß Tariq Jacqueline über die Grenze bringt. Mit etwas Glück schnappen sie ihn, bevor er mit ihr die Grenze erreicht.«
    »Die Amerikaner und die Kanadier informieren? Was sollen wir ihnen erzählen? Daß wir in Kanada einen Palästinenser liquidieren wollten? Daß wir die Sache vermurkst haben und jetzt ihre Hilfe benötigen, um aus dem

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