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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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manipuliere ihn -, aber in Wirklichkeit hatte Jusef die Fäden in der Hand gehalten.
    »Als wir den Eindruck hatten, eure Beziehung habe dieses Stadium erreicht, haben wir Jusef angewiesen, dich um einen sehr speziellen Gefallen zu bitten: Wärst du bereit, einen Palästinenserführer auf einer geheimen Mission ins Ausland zu begleiten? Du hast dich überzeugend dagegen gesträubt, aber letztlich natürlich ja gesagt, weil du nicht Dominique Bonard, Sekretärin in einer Londoner Kunstgalerie, sondern Sarah Halévy, Agentin des israelischen Geheimdiensts, bist. Ari Schamron und Gabriel Allon haben richtig vermutet, daß dieser Palästinenserführer ich sein würde, denn sie wußten, daß ich mich bei früheren Unternehmungen oft mit ahnungslosen Frauen getarnt habe. Sie haben dich in diese gefährliche Situation gebracht, weil sie mich unbedingt liquidieren wollen. Aber jetzt werde ich sie mit ihren eigenen Waffen schlagen. Ich werde dich als Lockvogel benutzen, um Allon anzulocken.«
    »Laß ihn in Ruhe«, sagte sie. »Er hat deinetwegen schon genug gelitten.«
    »Allon hat gelitten? Gabriel Allon hat meinen Bruder ermordet. Sein Leid verblaßt im Vergleich zu dem Leid, das er über meine Familie gebracht hat.«
    »Dein Bruder war ein Terrorist! Dein Bruder hatte den Tod verdient!«
    »Mein Bruder hat für sein Volk gekämpft. Er hatte es nicht verdient, wie ein Hund abgeknallt zu werden.«
    »Das liegt alles schon lange zurück. Laß Vergangenes ruhen. Nimm mich statt Gabriel.«
    »Das ist sehr edelmütig von dir, Sarah, aber dein Freund Gabriel wird nicht noch eine Frau durch mich verlieren wollen, ohne um sie zu kämpfen. Mach jetzt die Augen zu und ruh dich aus. Wir müssen heute nacht noch weit fahren.«
    Kurz vor Tagesanbruch raste Tariq über die Whitestone Bridge und erreichte den New Yorker Stadtteil Queens. Der Verkehr wurde dichter, als er am La Guardia Airport vorbeifuhr. Der Himmel im Osten hatte sich mit einsetzender Morgendämmerung hellgrau verfärbt. Tariq schaltete das Radio ein, hörte die Verkehrsmeldungen ab, stellte den Ton dann leiser und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Einige Minuten später kam der East River in Sicht. Jacqueline sah die Reflexe der ersten Strahlen der aufgehenden Sonne auf den Wolkenkratzern von Lower Manhattan.
    Tariq verließ den Expressway und fuhr durch Brooklyn weiter. Da es nun hell war, konnte sie ihn erstmals seit dem vergangenen Abend wieder deutlich sehen. Die lange Nacht am Steuer hatte ihren Tribut gefordert. Er war leichenblaß und hatte gerötete, blutunterlaufene Augen. Er lenkte mit der rechten Hand. Seine linke Hand lag in seinem Schoß und hielt die Makarow umklammert.
    Sie las die Straßenschilder: Coney Island Avenue. Dieses Viertel war erkennbar nahöstlich und asiatisch geprägt. Farbenfrohe pakistanische Märkte, deren Obstangebot sich bis auf den Gehsteig ausbreitete, libanesische und afghanische Restaurants. Reisebüros speziell für Nahostreisen. Ein Fachgeschäft für Teppiche und Fliesen. Eine Moschee mit einer grünweißen Marmorimitatfassade, die die Klinkerfront eines ehemaligen Geschäftshauses kaschierte.
    Er bog in die ruhige Parkville Avenue ab, fuhr langsam einen Häuserblock entlang und hielt vor einem gedrungenen, zweistöckigen Klinkergebäude an der Ecke zur East Eighth Street. Im Erdgeschoß befand sich ein aufgegebenes Feinkostgeschäft, dessen Schaufenster mit Brettern vernagelt waren. Er stellte den Motor ab und hupte zweimal kurz. In einer Wohnung im ersten Stock flammte für einen Augenblick Licht auf.
    »Du bleibst sitzen, bis ich um den Wagen herumgegangen bin«, sagte er ruhig. »Laß deine Tür geschlossen. Machst du sie auf, erschieße ich dich. Wenn du aussteigst, gehst du auf dem kürzesten Weg ins Haus und die Treppe hinauf. Gibst du einen Ton von dir oder versuchst zu flüchten, erschieße ich dich. Ist das klar?«
    Sie nickte. Er steckte die Makarow vorn in seine Jacke und stieg aus. Dann ging er hinten um den Wagen herum, öffnete ihre Tür und zog sie an der Hand heraus. Nachdem er die Autotür geschlossen hatte, gingen sie nebeneinander rasch über die Straße. Die Haustür stand einen Spalt weit offen. Sie traten über die Schwelle und durchquerten einen kleinen Vorraum, dessen Fußboden mit Werbedrucksachen übersät war. An der Holztäfelung, deren Anstrich abblätterte, lehnte ein rostiger Fahrradrahmen ohne Räder.
    Tariq stieg die Treppe hinauf und hielt dabei weiter ihre Hand umklammert. Seine Haut

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