Der Auftraggeber
mitten in der Nacht gewechselt, wenn sein untrüglicher Instinkt etwas Verdächtiges witterte. Er mied die Öffentlichkeit - aß nie in Restaurants, ging nie ins Kino oder ins Theater. Seine Haut wurde fleckig, weil er nie an die Sonne kam. Dank seinerÜberlebenskunst waren Hunderte von Attentaten der Israelis und seiner Feinde innerhalb der Bewegung fehlgeschlagen. Andere waren weniger glücklich gewesen. Er dachte an seinen alten Kampfgefährten und Stellvertreter Abu Dschihad, der den Widerstand in den besetzten Gebieten geleitet und mitgeholfen hatte, die Intifada zu organisieren. Deswegen hatten die Israelis ihn in seiner Villa in Tunis ermordet. Arafat wußte, daß er ohne Abu Dschihad nicht dorthin gelangt wäre, wo er jetzt war: auf der Fahrt durch Washington zu einem Geheimtreffen mit dem US-Präsidenten. Schade, daß sein alter Freund das alles nicht mehr miterleben durfte.
Die Autokolonne passierte die Absperrung an der Pennsylvania Avenue und fuhr aufs Gelände des Weißen Hauses. Wenige Augenblicke später hielt Arafats Limousine unter dem Dach des nördlichen Säulenvorbaus.
Einer der wachhabenden Marineinfanteristen trat vor und riß den Schlag auf. »Guten Abend, Mr. Arafat. Wenn Sie bitte mitkommen wollen…«
Präsident James Beckwith erwartete ihn im Salon seiner Wohnung im Executive Mansion. In einer verknitterten Khakihose und einem Troyer sah er aus, als komme er eben von Bord seiner Segeljacht. Er war ein großgewachsener Mann mit vollem silbergrauem Haar von vornehmer Wesensart. Obwohl er fast siebzig war, strahlte sein stets braungebranntes Gesicht Jugendlichkeit und Tatendrang aus.
Sie saßen am offenen Kamin: Beckwith mit einem Glas Whiskey, aus dem er ab und zu einen kleinen Schluck nahm, während Arafat mit Honig gesüßten Tee trank. Als Senator hatte Beckwith zu den treusten Freunden Israels gehört, den Widerstand gegen die Anerkennung der PLO durch die Vereinigten Staaten angeführt und Arafat und die PLO regelmäßig als ›blutrünstige Terroristen‹ bezeichnet. Jetzt waren die beiden Männer enge Verbündete im Streben nach einem Friedensabkommen für den Nahen Osten. Sie waren aufeinander angewiesen, wenn sie Erfolg haben wollten. Arafat brauchte Beckwith, um die Israelis unter Druck zu setzen, damit sie am Verhandlungstisch auf Kompromißvorschläge eingingen. Beckwith brauchte Arafat, um die radikalen Fundamentalisten in Schach zu halten, damit die Gespräche weitergehen konnten.
Nach etwa einer Stunde brachte Beckwith das Gespräch auf die Ermordung von Botschafter Elijahu und David Morgenthau. »Der CIA-Direktor sagt mir, daß Ihr alter Freund Tariq hinter beiden Anschlägen stecken dürfte, aber dafür gibt es keine Beweise.«
Arafat lächelte. »Ich habe nie daran gezweifelt, daß Tariq diese Anschläge verübt hat. Aber wenn Ihre CIA glaubt, dafür Beweise finden zu können, ist das ein bedauerlicher Irrtum. So arbeitet Tariq nicht.«
»Verübt er weitere Anschläge auf Juden, wird der Weg zu einem endgültigen Friedensabkommen wieder schwieriger.«
»Entschuldigen Sie meine Offenheit, Mr. President, aber Tariq ist nur ein Faktor, wenn Sie und die Israelis ihm gestatten, einer zu sein. Er handelt nicht in meinem Auftrag. Er operiert von keinem Gebiet aus, das der palästinensischen Selbstverwaltung untersteht. Er spricht nicht für die Palästinenser, die Frieden wünschen.«
»Gewiß, aber können Sie denn nichts tun, um ihn von weiteren Anschlägen abzuhalten?«
»Tariq?«
Arafat schüttelte langsam den Kopf. »Früher waren wir gute Freunde. Er war einer meiner besten Geheimdienstleute. Aber er hat sich wegen meiner Entscheidung, dem Terrorismus abzuschwören und Friedensgespräche aufzunehmen, von mir losgesagt. Wir haben seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen.«
»Vielleicht würde er jetzt auf Sie hören.«
»Tariq hört nur auf seine innere Stimme, fürchte ich. Er ist ein Mann, der von Dämonen verfolgt wird.«
»Das werden wir alle - vor allem in meinem Alter.«
»Und in meinem«, stellte Arafat fest. »Aber Tariq wird leider von anderen Dämonen verfolgt. Sehen Sie, er ist ein junger Mann, der langsam stirbt und noch ein paar Rechnungen begleichen will, bevor er abtritt.«
Beckwith zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Stirbt?«
»Ich weiß aus sicherer Quelle, daß er einen inoperablen Gehirntumor hat.«
»Wissen die Israelis das?«
»Ja«, sagte Arafat. »Ich habe es ihnen selbst mitgeteilt.«
»Wem?«
»Ari Schamron, dem
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