Der Auftraggeber
Sie wiederzusehen«, sagte Douglas Cannon.
Arafat lächelte. »Danke, gleichfalls, Senator. Oder sollte ich jetzt Botschafter Cannon sagen?«
»Bleiben Sie einfach bei Douglas.«
Cannon nahm Arafats kleine Hand in seine Bärenpranken und schüttelte sie kräftig. Der Botschafter war ein Hüne mit breiten Schultern und einer ungebärdigen grauen Mähne. Im Alter war er um die Taille herum etwas dicker geworden, aber sein Bauch war durch einen erstklassig geschnittenen blauen Blazer geschickt getarnt. Die Zeitschrift The New Yorker hatte ihn einmal einen ›Perikles von heute‹ genannt - ein brillanter Gelehrter und Philanthrop, der nach einer akademischen Laufbahn zu einem der einflußreichsten demokratischen Senatoren Washingtons aufgestiegen war. Vor zwei Jahren war er aus dem Ruhestand zurückgerufen worden, um als US-Botschafter nach London zu gehen. Seine Karriere als Botschafter hatte jäh geendet, als er bei einem Terroranschlag schwer verwundet worden war. Davon war ihm jedoch nichts anzumerken, als er Arafat jetzt freundschaftlich am Arm faßte, um mit ihm einen Rundgang zu machen.
»Das Attentat hat mich sehr betroffen gemacht, Douglas. Ich freue mich, daß Sie wieder gesund und munter sind. Haben Sie die Blumen bekommen, die Suhla und ich Ihnen geschickt haben?«
»Ja, natürlich. Sie waren die schönsten in meinem Krankenzimmer. Ich danke Ihnen ganz herzlich. Aber jetzt haben wir genug von mir geredet. Kommen Sie bitte mit. Hier gibt's viele Leute, die darauf brennen, Sie kennenzulernen.«
»Das glaube ich gern«, meinte Arafat lächelnd. »Gehen wir.«
Gabriel raste über die Brooklyn Bridge nach Manhattan hinein. Jacqueline hatte sich wieder gefangen und schilderte ihm detailliert ihre Erlebnisse in den letzten 72 Stunden - von der Nacht in der Sozialwohnung in der Nähe des Flughafens Heathrow bis zu den grausigen Ereignissen in Brooklyn. Gabriel zwang sich, leidenschaftslos zuzuhören und seinen Zorn darüber, was Tariq ihr angetan hatte, vorläufig zu unterdrücken, um bei nüchterner Analyse vielleicht Hinweise auf seine Absichten zu finden.
Ein Punkt erregte seine Aufmerksamkeit: Warum hielt Tariq es für nötig, Gabriel zu sich zu locken, indem er Leila, die sich als Jacqueline ausgab, die Londoner Telefonnummer anrufen ließ?
Die Antwort war vermutlich ganz einfach: Weil Tariq annahm, daß Gabriel sich nicht dort aufhalten werde, wo er zuschlagen wollte. Aber weshalb nicht? War er nach New York gekommen, um den israelischen Premierminister, den großen Friedensstifter, zu ermorden, mußte er annehmen, daß Gabriel nicht von der Seite des Premierministers weichen würde. Schließlich hatte Gabriel den berüchtigten Terroristen erst vor kurzem in Montreal gesehen.
Gabriel dachte an das Van-Dyck-Gemälde: an der Oberfläche eine religiöse Szene, darunter das Porträt einer ziemlich häßlichen Frau. Ein Bild, zwei Realitäten. Das ganze Unternehmen hatte diesem Gemälde geglichen, und Tariq hatte ihn immer wieder geschlagen.
Verdammt noch mal, Gabriel. Hab den Mut, deinem Instinkt zu trauen!
Er zog sein Mobiltelefon aus der Jacke und wählte Schamrons Nummer in der diplomatischen Vertretung. Als Schamron sich meldete, fragte Gabriel nervös: »Wo ist Arafat?«
Nachdem er kurz zugehört hatte, sagte er: »Scheiße! Ich glaube, Tariq hat sich als Kellner verkleidet dort eingeschlichen. Sagen Sie seinen Leuten, daß ich komme.«
Er klappte das Telefon zu und sah zu Jacqueline hinüber. »Hast du Leilas Pistole noch?«
Sie nickte.
»Noch was drin?«
Jacqueline zog das Magazin heraus und zählte die restlichen Patronen. »Fünf«, sagte sie.
Gabriel bog nach Norden auf den FDR Drive ab und trat das Gaspedal durch.
Tariq stand an der Küchentür und sah über den Flur in die Partyräume. Blitzlichter flammten auf, als Gäste sich mit Arafat fotografieren ließen. Tariq schüttelte den Kopf. Vor zehn Jahren hatten dieselben Leute Arafat als rücksichtslosen Terroristen geschmäht. Jetzt behandelten sie ihn wie einen Rockstar, der eine Kaffijah trug.
Er sah sich nochmals nach Allon um. Irgend etwas mußte schiefgegangen sein. Vielleicht war Leila am Telefon nicht durchgekommen. Vielleicht spielte Allon irgendein Spiel mit ihm. Tariq wußte jedenfalls, daß er nicht mehr lange warten durfte. Er kannte Arafat. Unangekündigte Programmwechsel waren eine Marotte des Alten. Er konnte jederzeit beschließen, die Party zu verlassen - und Tariq so um seine Chance bringen, ihn zu
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