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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Für die Deutsche war er ein italienischer Textilvertreter auf der Reise nach Paris. Der Rumänin gegenüber gab er sich als ägyptischer Exporteur aus, der in der Ukraine ins Geschäft zu kommen hoffte. Für die Bulgarin war er ein Franzose aus reicher Familie, der viel reiste und Bücher über Philosophie las. Jede der drei Frauen liebte er anders. Der Deutschen schlug er ins Gesicht und kümmerte sich nicht darum, ob sie ihre Befriedigung fand. Der Rumänin schenkte er viele Orgasmen und ein Goldarmband. Die Bulgarin war ein schwarzhaariges Mädchen mit olivfarbenem Teint. Sie erinnerte ihn an die Mädchen in seiner Heimat Palästina. Sie liebten sich die ganze Nacht, bis sie wieder zum Dienst an der Hotelrezeption mußte. Er war traurig, als sie gegangen war.
    Die Fähre lief ins ruhige Wasser des Hafenbeckens ein und machte fest. Tariq ging von Bord, schlenderte durch den Hafen und kam an einer strahlend hell erleuchteten Taverne vorbei. Vor dem Lokal stand ein dunkelblauer Motorroller, dessen linker Rückspiegel zersplittert war genau wie versprochen. Den Zündschlüssel dafür hatte er in seiner Jackentasche. Er schnallte seine Reisetasche auf den Gepäckträger und ließ den Motor an. Wenige Minuten später ließ er die letzten Häuser hinter sich und fuhr auf einer schmalen Straße in die Berge hinein.
    Er war nicht für diese nächtliche Fahrt angezogen: seine dünnen Lederhandschuhe, italienischen Slipper und schwarzen Jeans boten kaum Schutz vor der Kälte. Trotzdem gab er Vollgas und jagte den kleinen Motorroller mit höchstmöglicher Geschwindigkeit einen langgestreckten Hügel am Fuß des Kerkis hinauf. Er bremste wegen einer Haarnadelkurve, gab dann sofort wieder Gas und raste durch einen Weinberg, der sich hangabwärts in ein kleines Tal hinunterzog. Oberhalb des Weinbergs lag ein Olivenhain, und oberhalb dieses Hains standen in langer Reihe turmhohe Zypressen, die sich scherenschnittartig von dem nachtschwarzen Himmelszelt mit den funkelnden Sternen abhoben. Zypressenduft hing schwer in der Luft. Irgendwo briet Fleisch auf einem Holzfeuer. Dieser Geruch erinnerte ihn an den Libanon. Wie schön, nicht mehr in Paris sein zu müssen, dachte er. Im trüben, grauen, spätherbstlichen Paris. Wie schön, wieder im östlichen Mittelmeerraum zu sein.
    Die Straße verwandelte sich in einen unbefestigten Weg mit Fahrspuren. Tariq nahm etwas Gas weg. Es war leichtsinnig und dumm gewesen, auf einer unbekannten Straße so zu rasen, aber in letzter Zeit hatte er sich angewöhnt, unnötig riskante Dinge zu tun. Zum ersten Mal seit seiner Flucht aus Paris dachte er wieder an die Amerikanerin. Er empfand weder Reue noch Schuldbewußtsein. Ihr Tod war zwar bedauerlich, aber absolut notwendig gewesen.
    Tariq gab wieder Gas und raste den leicht abfallenden Weg in ein winziges Tal hinunter. Er dachte an sein Bedürfnis, an diesen Zwang, während eines Unternehmens mit Frauen zusammen zu sein. Vermutlich kam das von seiner Kindheit im Palästinenserlager bei Sidon. Sein Vater war gestorben, als Tariq noch klein war, und seinen älteren Bruder Mahmoud hatten die Juden ermordet. Tariq war von seiner Mutter und seiner älteren Schwester großgezogen worden. Ihre Hütte im Lager bestand aus einem einzigen Raum, deshalb hatten Tariq, seine Mutter und seine Schwester im selben Bett geschlafen -Tariq in der Mitte, so daß sein Kopf am Busen seiner Mutter lag, während der knochige Körper seiner Schwester an seinen Rücken gepreßt war. Manchmal lag er wach und horchte auf Artilleriefeuer oder das rhythmische Knattern der über dem Lager schwebenden israelischen Hubschrauber. Dabei dachte er an seinen Vater - wie er an gebrochenem Herzen und noch immer mit den Schlüsseln des Hauses ihrer Familie in Obergaliläa in der Tasche gestorben war - und an den armen Mahmoud. Tariq haßte die Juden mit einer Intensität, die seine Brust schmerzen ließ. Aber er hatte niemals Angst. Nicht in seinem Bett, von seinen Frauen beschützt.
    Die weißgestrichene Villa stand auf einem Felsvorsprung an einem zerklüfteten Hang zwischen den Dörfern Mesogion und Pirgos. Um sie zu erreichen, mußte Tariq sich ein steiles Wegstück durch einen alten Weinberg hinaufquälen. Der Geruch der letzten Weinernte lag noch in der Luft. Als er den Motor abstellte, dröhnte die Stille in seinen Ohren. Er stellte den Motorroller auf den Seitenständer, zog seine russische Makarow-Pistole und ging lautlos durch den kleinen Garten zum Eingang der Villa.
    Er

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