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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Unterlagen für zu wertvoll hielten, um sie bloßem Leder anzuvertrauen. Im Gegensatz zu den übrigen Passagieren des morgendlichen El-Al-Flugs Paris-Tel Aviv hatte Navot seinen Aktenkoffer nicht zur Durchsuchung öffnen müssen. Auch die lästige rituelle Befragung durch die braungebrannten jungen Leute vom Sicherheitsdienst der El Al war ihm erspart geblieben. Sobald er sicher in Schamrons Büro eingetroffen war, stellte er die Zahlenkombination des Schlosses ein und öffnete seinen Aktenkoffer erstmals wieder, seit er die Botschaft in Paris verlassen hatte. Dann holte er einen einzelnen Gegenstand heraus: eine Videokassette.
    Navot wußte längst nicht mehr, wie oft der Alte sich das Videoband angesehen hatte. Zwanzigmal, dreißig, vielleicht sogar fünfzigmal. Er qualmte so viele seiner gräßlichen türkischen Zigaretten, daß Navot den Bildschirm durch die Rauchschwaden kaum noch sehen konnte. Schamron war wie in Trance. Er hockte in seinem Sessel, hatte die Arme verschränkt und seinen Kopf leicht in den Nacken gelegt, damit er durch die schwarzgeränderte Brille fast an der Spitze seiner markanten Nase sehen konnte. Navot streute gelegentlich Hintergrundinformationen ein, aber Schamron hörte nur auf seine eigenen Stimmen.
    »Nach Auskunft des Sicherheitsdiensts im Musée d'Orsay haben Elijahu und seine Begleitung das Museum um einundzwanzig Uhr siebenundzwanzig verlassen«, sagte Navot. »Der Zeitcode auf dem Bildschirm läßt erkennen, daß der Araber genau um einundzwanzig Uhr sechsundzwanzig telefoniert.«
    Schamron äußerte sich nicht dazu. Er drückte nur auf seine Fernbedienung, spulte das Band zurück und sah sich die Szene nochmals an.
    »Achten Sie auf seine Hand«, forderte Navot ihn auf. »Die Nummer ist in seinem Mobiltelefon gespeichert. Er drückt mit dem Daumen auf eine Taste und fangt sofort zu reden an.«
    Falls Schamron diese Erkenntnis aufschlußreich oder auch nur entfernt relevant erschien, ließ er sich nichts davon anmerken.
    »Vielleicht können wir uns die Unterlagen der Telefongesellschaft besorgen«, fuhr Navot eifrig fort. »Vielleicht läßt sich feststellen, welche Nummer er gewählt hat. Dieser Anruf kann uns zu Tariq führen!«
    Hätte Schamron sich zu reden entschlossen, hätte er dem jungen Navot mitgeteilt, daß zwischen Tariq und der französischen Mobilfunkgesellschaft vermutlich ein halbes Dutzend Agenten eingeschaltet gewesen waren. Solche Nachforschungen wären mühsam gewesen und letztlich doch im Sand verlaufen.
    »Sagen Sie mir etwas, Uzi«, verlangte Schamron schließlich. »Was für Essen hat dieser Junge da auf seinem Silbertablett?«
    »Wie bitte, Boß?«
    »Das Essen - die Horsd'œuvres - auf seinem Tablett.  Was ist das?«
    »Hühnchen, Boß.«
    »Welche Art Hühnchen, Uzi?«
    »Keine Ahnung, Boß. Einfach Hühnchen.«
    Schamron schüttelte enttäuscht den Kopf. »Das waren Tandoori-Hühnchen, Uzi. Indische Tandoori-Hühnchen.«
    »Wenn Sie meinen, Boß.«
    »Tandoori-Hühnchen«, wiederholte Schamron. »Das ist interessant. Das hätten Sie wissen müssen, Uzi.«
    Navot unterschrieb für einen Dienstwagen und fuhr damit gefährlich schnell auf der Küstenstraße nach Cäsaräa. Er hatte in Paris sehr gute Arbeit geleistet - er hatte eine Kopie des Überwachungsbands aus dem Musée d'Orsay geklaut -, aber das einzige, was den Alten interessierte, war das Hühnchen. Welchen Unterschied machte es, ob der Ober Tandoori-Hühnchen oder Kentucky Fried Chicken serviert hatte? Vielleicht hatte Lev doch recht. Vielleicht hatte Schamron seine besten Jahre hinter sich. Der Teufel soll den Alten holen!
    Im Dienst machte neuerdings ein zynischer Ausspruch die Runde: Je weiter wir von unserem letzten Desaster entfernt sind, desto näher sind wir dem nächsten. Auch Schamron würde irgendwann in die Scheiße treten. Dann würden sie ihn rausschmeißen - diesmal endgültig.
    Aber Navot merkte, daß er sich doch etwas daraus machte, was der Alte von ihm hielt. Tatsächlich machte er sich zuviel daraus. Wie die meisten Agenten in seinem Alter verehrte er den großen Schamron. Im Lauf der Jahre hatte er viele Aufträge für den Alten übernommen - Schmutzarbeit, die sonst niemand erledigen wollte.
    Dinge, die vor Lev und den anderen geheimgehalten werden mußten. Er würde praktisch alles tun, um bei Schamron wieder gut angeschrieben zu sein.
    Navot erreichte Cäsaräa und parkte vor einem Apartmentgebäude einige Straßenblocks vom Strand entfernt. Er betrat die Eingangshalle

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