Der Auftraggeber
verkaufte. Sobald eines seiner Gemälde hinausgetragen wurde, versank er in tiefe Melancholie. Daher war er ein Kunsthändler, der nicht allzuviel Kunst verkaufte - 15 Gemälde in einem durchschnittlichen Jahr, 20 in einem guten. In den achtziger Jahren, als jeder, der ein paar Quadratmeter Galeriefläche und etwas Grips besaß, zu Geld gekommen war, hatte er ein Vermögen verdient, das er jedoch längst wieder durchgebracht hatte.
Er warf das Telefon auf seinen chaotischen Schreibtisch. »Was Sie auch wollen - die Antwort lautet nein.«
»Wie geht's Ihnen, Julian?«
»Scheren Sie sich zum Teufel! Was wollen Sie hier?«
»Schicken Sie die Kleine für ein paar Minuten weg.«
»Die Antwort lautet trotzdem nein - ganz gleich, ob das Mädchen da ist oder nicht.«
»Ich brauche Gabriel«, sagte Schamron ruhig.
»Nun, ich brauche ihn dringender, deshalb können Sie ihn nicht haben.«
»Sagen Sie mir nur, wo er ist. Ich muß mit ihm reden.«
»Scheren Sie sich zum Teufel!« fauchte Isherwood. »Was gibt Ihnen das Recht, hier reinzuplatzen und mich rumzukommandieren? Also, falls Sie ein Gemälde kaufen wollen, kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein. Sind Sie nicht wegen der Kunst hier, weist Helen Ihnen die Tür.«
»Sie heißt Heather.«
»O Gott!«
Isherwood ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen.
»Helen war letzten Monat da. Ich kann sie nicht mehr auseinanderhalten.«
»Die Geschäfte gehen wohl schlecht, Julian?«
»Sie waren schlecht, aber das wird sich bald ändern deshalb muß ich darauf bestehen, daß Sie unter Ihren Stein zurückkriechen und Gabriel und mich in Ruhe lassen.«
»Gehen wir essen?« schlug Schamron vor. »Sie können mir von Ihren Problemen erzählen, und vielleicht finden wir eine allseits befriedigende Lösung.«
»Sie sind mir nie als jemand aufgefallen, der schrecklich kompromißbereit ist.«
»Holen Sie Ihren Mantel.«
Schamron hatte vorsichtshalber im Restaurant Green's in der Duke Street einen ruhigen Ecktisch reservieren lassen. Isherwood bestellte den kalten kanadischen Hummer und die teuerste Flasche Sancerre der Weinkarte. Schamron biß kurz die Zähne zusammen. Er war notorisch knickerig, wenn es um dienstliche Mittel ging, aber er brauchte Isherwoods Hilfe. War dazu ein teurer Lunch im Green's erforderlich, würde er eben sein Spesenkonto etwas stärker belasten.
Im Jargon des Diensts wurden Männer wie Julian Isherwood als Sajanim - Helfer - bezeichnet. Sie waren die Banker, die Schamron einen Tip gaben, wenn bestimmte Araber große Transaktionen vornahmen, oder mitten in der Nacht angerufen werden durften, wenn ein Katsa Schwierigkeiten hatte und Geld brauchte. Sie waren die Portiers, die Hotelzimmer aufsperrten, wenn Schamron sich darin umsehen wollte. Sie waren die Angestellten von Leihwagenfirmen, die seinen Agenten neutrale Fahrzeuge besorgten. Sie waren die Israel freundlich gesinnten Mitarbeiter feindseliger Sicherheitsdienste. Sie waren die Journalisten, die sich dazu hergaben, Schamrons Lügen zu verbreiten. Kein anderer Geheimdienst der Welt konnte auf eine solch starke Legion engagierter Anhänger zurückgreifen. Für Ari Schamron waren sie die geheime Frucht der Diaspora.
Julian Isherwood war ein besonderes Mitglied der Sajanim. Schamron hatte ihn angeworben, um ihn einen einzigen, sehr wichtigen Katsa unterstützen zu lassen; deshalb bewies er angesichts von Isherwoods Stimmungsschwankungen ungewöhnlich viel Geduld.
»Ich will Ihnen erzählen, warum Sie Gabriel im Augenblick nicht haben können«, begann Isherwood. »Im August ist bei einer Auktion in Hull ein sehr verschmutztes, stark beschädigtes Bild aufgetaucht -ein italienisches Altarbild aus dem sechzehnten Jahrhundert, Öl auf Holz, Anbetung der Hirten, Künstler unbekannt. Das ist der wichtigste Teil meiner Geschichte: Künstler unbekannt. Hören Sie auch gut zu, Herr Heller?«
Schamron nickte, und Isherwood erzählte weiter.
»Ich hatte eine bestimmte Ahnung wegen des Gemäldes, also habe ich einen Haufen Bücher ins Auto gepackt und bin nach Yorkshire raufgefahren, um es mir anzusehen. Nach kurzer Begutachtung hatte meine Ahnung sich bestätigt. Und als dieses sehr verschmutzte, stark beschädigte Gemälde, Künstler unbekannt, von dem ehrwürdigen Auktionshaus Christie's versteigert wurde, konnte ich es für ein Butterbrot ersteigern.«
Isherwood leckte sich die Lippen und beugte sich mit Verschwörermiene über den Tisch. »Ich habe das Gemälde Gabriel gebracht, und er
Weitere Kostenlose Bücher