Der Augenblick der Liebe
die Frau wollte Einmaligkeit, jetzt muß er weg, ins Neue Leben. Als Gottlieb endlich einen gefunden gehabt hatte, dessen Frau wild darauf war, das alles zu besitzen, hatte Herr Pöhlmann Gschrey nicht verkaufen können. Nichts mehr gesagt, nur noch den Kopf geschüttelt und den lästigen Immobilien händler samt Interessentenpaar hinausgewinkt. Wäre Herr PöhlmannGschrey nicht leichenblaß gewesen, hätte seine zerbissene Unterlippe nicht gezeigt, daß sie gerade noch geblutet hatte, hätte man den Vorvertrag durch die Luft schwenken können. Das Neue Leben war aus Herrn PöhlmannGschrey entflohen, vertrieben. Und bevor Gottlieb und das Interessentenpaar sich fassen konnten, erschienen aus verschiedenen Partien des dämmrigen Wohnzimmers drei, vier, fünf Katzen und posierten sich um Herrn PöhlmannGschrey. Er hob die Arme wie ein Soldat, der sich ergibt. Seine Hände berührten fast den roten Mantel des über ihm schwebenden Engels. Jetzt bemerkte Gottlieb, daß der riesige Engel ein goldenes Schwert in der Rechten hatte. Kein riesiges, aber durch seinen Goldglanz Eindruck machendes Schwert. Also drehte sich Gottlieb schroff um. Das Interes sentenpaar folgte. Vom Interessentenpaar nachher kein Vor wurf. Keine Diskussion über das Gesehene. Gottlieb hatte sich in einer an Herrn PöhlmannGschrey anschließenden Wortlosigkeit verabschiedet. Auf der Heimfahrt hatte er gedacht, daß die Katzen das Ausschlaggebende gewesen waren: Die hatten Herrn PöhlmannGschrey den Verkauf verboten. Das konnte ihm nicht passieren. Er würde fahren. Morgen. Er erlebte ein Gesetz: Je heftiger du dich heim sehnst, desto größer ist, wenn du heimkommst, die Enttäu schung. Nichts entspricht einander so innig wie Sehnsucht und Enttäuschung.
Aber weil, wenn man in eine Richtung denkt, die Ge genrichtung immer auch noch existiert, war Gottlieb am nächsten Vormittag auf dem Weg in die Stadt, auf dem Weg zur Bank und hatte die vielen Dollars, die unverbrauchten, dabei. Umtauschen. Er würde umtauschen, als bliebe er hier. Er wird nicht hier bleiben. Aber umtauschen wird er. Wieviele Personen war er eigentlich! Er funktionierte. Er würde umtauschen. Und hier nicht bleiben. Niemals. Schon auf dem Weg zum Bus servierte ihm der Zufall, der nichts ausdrückt als das wirkliche Gesetz, ein Mädchen, das sechs oder sieben Altgewordene ausführte. Ein ungeheuer langsamer Trupp. Lauter finster zerstörte, vom bösesten Leid gezeichnete Gesichter und wie zur Drohung verschobene Körper. Weil es ein wenig aufwärts ging, mußte das Mäd chen den Trupp halten lassen, zurückgehen und eine win zige Greisin nachholen, die inzwischen nicht mehr als eins zwanzig groß war, aber eine Tasche umgehängt hatte, die fast genau so groß war. Gottlieb hatte schon viel zu lange hingesehen.
Im Bus sah er, um sicher zu sein, nur noch auf seine Knie. Kurz bevor er sich von der großen Drehtür in die Bank hineinholen ließ, der Notarztwagen. Zwei Männer in greller Berufskleidung schoben eine Tragbahre in den Wagen. Man sah nur noch die Schuhe des auf der Bahre Liegenden; sie starrten komisch in die Höhe. Gottlieb ging, so schnell er, ohne als rennend aufzufallen − hier rannte doch längst niemand mehr −, gehen konnte, zurück zur Bushaltestelle. Zwanzig Minuten warten. Was ihm da alles vorgeführt werden würde! Er ging und, als er die Innenstadt hinter sich hatte, rannte eher als er ging nach Hause.
Sein Schreibtischstuhl war sein Asyl. Saß und blieb sitzen. Die tägliche Versuchung, sitzen zu bleiben, in die Ecke zu starren, sich nicht mehr zu rühren. Darauf
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