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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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sie  Philosophen.  Und  dann  genießerisch  weiter:  Du  weißt,  wie  Schopenhauer,  bekanntlich  kein  KantFan,  das  Ding  an  sich  nennt?  Gottlieb  wußte  es  nicht.  Sie  streichelte  ihn  und  sagte:  Amateurliga  muß  das  nicht  wissen,  geträumtes  Un ding,  so  Schopenhauer  zum  Ding  an  sich.  Gottlieb:  Das  nehmen wir. Sie wechselte jäh in die Aktivsprache: This is no  time  for  talk,  it¹s  time  for  Performance.  Let¹s  have  it  in  English. Und als wären sie im Studio und sie die Regisseurin,  rief  sie:  Action!  Ihm  gelang  es  trotzdem,  den  bloßen  Aktio nismus zu steuern. Als es dann so weit war oder als sie beide  gleich  so  weit  sein  würden,  fühlte  er  sich  vorbereitet,  den  ersten  Wortbeitrag  auf  Englisch  zu  liefern,  und  zwar  mit  einem  Zitat  aus  ihrem  Briefwerk,  und  das  war  jetzt,  da  das  Gelingen  ja  schon  begonnen  hatte,  eher  eine  Floskel  fröh licher Ironie: It ain¹t over till the fat lady sings. Sie schrie auf,  fuhr  hoch,  warf  sich  weg  von  ihm,  riß,  was  sie  an  Decke  kriegen  konnte,  über  sich.  In  ihr  wurde  offenbar  weder  die  opera  noch  die  Briefstelle  wach,  sie  war  bestürzt,  getroffen,  beleidigt, because of the fat lady. Sie fühlt sich fat. Und dann  sagt er¹s ihr auch noch in diesem Augenblick ins Gesicht. In  dem  Augenblick,  dem  sie  seit  Monaten  entgegenlebt.  Und  selbst wenn  ER  das nicht so gemeint hat,  ES  war so gemeint.  ES  hat es so gemeint. Ein Freudian slip. 
    Gottlieb   eilte  zur  Minibar,  holte  sämtliche  verfügbaren  Martinis  und  flößte  ihr  ein,  soviel  sie  bereit  war,  sich  ein flößen zu lassen. Und entschuldigte sich ernsthaft. Eins wisse  er sicher: Wenn er sie für fat hielte oder wenn sie ihm so vor käme, wäre ein Zitat, das dieses Wort mit sich führte, nie nie  nie  über  seine  Lippen  gekommen.  Aber  als  er  sich  das  so  sagen hörte, merkte er, daß es nicht ganz so war, wie er das  sagte.  Aber  es  war  auch  nicht  so,  wie  sie  das  gesagt  hatte.  Also küßte er innig drauflos, spielte Themire und Sylvandre  mit  ihr,  bis  sie  so  weit  waren,  das  vorher  Begonnene  fortzusetzen  und  zu  einem  glücklichen  Ende  zu  bringen.  Dann  lagen  sie  aneinandergeschmiegt  und  flüsterten  ihr  Schicksal  ins  grünliche  Zwielicht  dieses  alles  ermög lichenden  Zimmers.  Er  flüsterte,  er  habe,  als  er  drunten  in  der Lounge die Minuten bis zu ihrer Ankunft gezählt habe,  zum geträumten Unding gesagt − nebenbei, er halte das für  eine  brauchbare  Startbezeichnung,  das  heißt,  von  da  aus  gehe  es  weiter  zu  immer  besseren,  das  heißt  brauchbareren  Wörtern −,  da  habe  er  also,  hingefläzt  im  Loungesessel,  seinem  ungeduldigen  Unding  gesagt:  Heute  noch  wirst  du  im  Paradiese  sein.  Und  jetzt  könne  er  im  Namen  seines  Undings melden, daß ihm nicht zuviel versprochen worden  war. Sie flüsterte zurück: Sag noch was Schönes, Sylvandre.  Er: Danke, Themire. Sie: Ist Danke was Schönes? Und als ihm  nicht  gleich  eine  Antwort  einfiel,  sagte  sie,  und  das  sollte  offensichtlich  lustig  klingen:  Are  you  all  set,  Sir?  Daß  das  eine Kellnerfloskel war, begriff er. Und antwortete: Not at all.  Und  sagte,  was  alles  er  noch  nicht  habe,  also,  was  alles  er  noch  wolle  und  wünsche.  Nämlich  sie,  sie,  sie.  Also  gleich  dreimal,  sagte  sie.  Er  erschrak  ein  bißchen,  weil  er  es  so  konkret nicht gemeint hatte. Er tat aber so, als gebe es keine  Grenzen.  Und  tatsächlich  gab  es  die  im  Augenblick  noch  nicht. 
    Dessen   versicherten  sie  sich  noch  vor  dem  Abendessen.  Aber da setzte sie ihre Mündlichkeit ein. Nahm ihm, was er  noch hatte, so ab und sagte dazu, sie beide seien doch Katho liken, also sei das ihre Kommunion. Da sie so hymnisch dran 

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